Kino / Nachlese

Alter weißer Mann

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D 24, R: Simon Verhoeven, FSK: 6, 114 min
Prädikat wertvoll

Die Zeiten sind sensibel. Das muss Familienvater Heinz Hellmich schmerzhaft feststellen, als ihm nach einigen ungeschickten Fehltritten in der Firma der Jobverlust droht. Um zu beweisen, dass er kein „alter weißer Mann” ist, lädt er seinen Chef und weitere Gäste (oder heißt es Gäst*innen?!) für ein Dinner zu sich nach Hause ein. Mitsamt seiner Familie will er sich von der besten, modernsten und “wokesten” Seite präsentieren! Doch schon in der Anbahnung des Abends tappt Heinz von einem Festnäpfchen ins nächste und stellt dabei fest, dass seine Frau Carla, seine Kinder und auch Opa Georg nicht gerade pure Harmonie ausstrahlen. Als nach vielen Turbulenzen endlich alle an einem Tisch sitzen, beginnt die politisch korrekte Fassade schnell zu bröckeln…

Ein Film, der mit viel Humor und Selbstironie auf die großen und heiklen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit blickt und angesichts hunderttausender begeisterter Zuschauer damit offenbar einen Nerv trifft.

Der Film läuft auch am Mi 08.01. | 19:30 Uhr im Kronenkino Zittau.

Pressestimmen zum Film

Alter weißer Mann

Von Anke Sterneborg/ epd film

Simon Verhoeven ist bekannt für warmherzige Komödien wie »Männerherzen« und »Willkommen bei den Hartmanns«, die auch große Publikumserfolge waren. Jetzt hat er sich der Woke-Kultur angenommen.

Das hat man in letzter Zeit häufiger im Kino gesehen: Männer, die sich aus der Zivilisation in die wilde Natur zurückziehen, um dort noch mal richtig Mann sein zu können. Johlen und jagen, fluchen und rangeln, im Lendenschurz, mit Pfeil und Bogen oder Keule die Sau rauslassen, wie es unter Beobachtung durch die allgegenwärtige Woke-Polizei in den Städten schon längst nicht mehr möglich ist. So sieht man nun auch Jan Josef Liefers am Anfang dieses Films mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd durch die Prärie reiten – bis er dann jäh aus den Männerträumen gerissen und zu seinen Familienpflichten gerufen wird. Als er später seiner Therapeutin, einer Person of Color, von seinen »Indianer«-Abenteuern erzählt, fängt er sich eine kritische Bemerkung ein.

Was ist erlaubt, was verpönt, was ein absolutes No-Go? Der Bewegungsspielraum verengt sich, vor allem Männer haben es schwer, sich im Zivilisationsdschungel der Neuregelungen zurechtfinden, nach Jahrhunderten der weitgehend unwidersprochenen Privilegien. Was man früher mitleidig Midlife-Crisis nannte, ist heute zum vernichtenden Kampfbegriff »Alter weißer Mann« mutiert. Und darüber hat Simon Verhoeven jetzt einen Film gemacht.

Heinz Hellmich (Jan Josef Liefers) soll befördert werden, vom mittleren Management in die Führungsetage eines Telekommunikationsunternehmens, dessen Name Fernfunk AG kaum weniger sexy sein könnte. In der Firma hat man einen gewissen Modernisierungsdruck erkannt, weshalb Heinz unter Beweis stellen muss, dass er kein alter weißer Mann ist. Bei der Besprechung einer neuen Werbekampagne wird da schnell aus der vierköpfigen biodeutschen Kleinfamilie eine ausufernde Multikultigemeinde, in der jede Ethnie, Kultur, Religion, Körperform und sexuelle Orientierung ihren Platz finden muss. Woker Wandel ist zunächst mal vor allem ein Schuss übers Ziel hinaus, und Heinz tritt treuherzig in jedes bereitstehende Fettnäpfchen, angefangen damit, dass er die junge Dame mit asiatischem Migrationshintergrund reflexartig als Kellnerin anspricht.

Immer wieder hat Simon Verhoeven gesellschaftliche Problemfelder im Allgemeinen und im Wandel begriffene Männerbilder im Besonderen durch ein weitläufiges Mehrgenerationengefüge gejagt. Doch anders als etwa bei »Willkommen bei den Hartmanns«, einem Film über Willkommenskultur, Vorurteile und Rassismus im Umgang mit Geflüchteten, dringt er hier ein bisschen tiefer unter die Klischeeoberflächen des allzu Offensichtlichen und wird zu einer Art Mediator zwischen den verhärteten Fronten, die er in der zweiten Hälfte zum großen Essen im Hause Hellmich versammelt. Ein schneller Reality-Check ergibt ein verheerendes Bild: An der Wand nur Bilder von alten weißen Männern wie Klee, Monet oder Toulouse-Lautrec, im DVD-Regal Hitchcock, Polanski und Woody Allen, selbst der Hai ist weiß. Und könnte die thailändische Suppe, die seine Frau kochen will, kulturelle Aneignung sein? Natürlich knallt es am Tisch dann erst mal, aber nach anfänglichen Kollisionen beginnt ein anregender Austausch, und wie immer gilt: Man muss eigentlich nur miteinander reden.


Culture Clash beim Dinner: Warmherzige Komödie „Alter weißer Mann“ mit Jan Josef Liefers

Von Julia Haungs/ SWR Kultur

Die Zeiten sind sensibel. Das muss Familienvater Heinz Hellmich (Jan Josef Liefers) schmerzhaft feststellen, als ihm nach einigen ungeschickten Fehltritten in der Firma der Jobverlust droht.
Um zu beweisen, dass er kein „alter weißer Mann” ist, lädt er seinen Chef und weitere Gäste zu einem Dinner zu sich nach Hause ein. Doch schon in der Anbahnung des Abends tappt Heinz von einem Fettnäpfchen ins nächste.

„Alter weißer Mann“ ist zum Inbegriff all dessen geworden, was heute zurecht als toxisch gilt: Sexismus, Rassismus, Blindheit für die eigenen Privilegien. Die gleichnamige Komödie von Simon Verhoeven wirft sich furchtlos in die streitbesetzten Gegenwartsdiskurse vom Genderstern über sexuelle Identitäten bis zu Rassismus  – glänzend gespielt von einem Ensemble alter weißer Männer um Jan Josef Liefers, Friedrich von Thun und Michael Maertens.

Mit Lendenschurz bekleidet durch die Weiten der Prärie
In seinen Träumen galoppiert Heinz Hellmich (Jan Josef Liefers) nur mit einem Lendenschurz bekleidet durch die Weiten der Prärie. In seinem Arbeitsalltag sieht sich der langgediente Leiter der Marketingabteilung dagegen in zahlreichen Zwängen gefangen. Sei Chef will die altbackene Fernfunken AG zeitgeistfest machen. Also dürfen die Vorgesetzten nicht mehr laut werden, in Briefen muss gegendert werden und die Werbefamilie soll weniger weiß erscheinen.

„Im Spannungsfeld der gutgemeinten, aber mittlerweile oft auch übertriebenen, „woken“ Political Correctness und unserer lebendigen, unkorrekten, wilden und widersprüchlichen Realität, habe ich schon immer eine Komik gesehen“, sagt Simon Verhoeven zu seinen Überlegungen, aus denen „Alter weißer Mann“ geboren wurde.

Jan-Josef Liefers als Problembär der Firma
Jan Josef Liefers porträtiert Heinz Hellmich als den Problembären der Firma, der einfach nicht mehr mitkommt bei all den Sprachregelungen, sexuellen Identitäten und diskriminierungsfreien Formen des sozialen Miteinanders. Obwohl er alles richtig machen will, stolpert er von einem Fettnäpfchen ins nächste. Und jetzt muss er auch noch zu Hause ein Abendessen veranstalten. In geselliger Runde soll er seinem Chef und der Unternehmensberaterin beweisen, dass er der richtige Kandidat für die Beförderung in den Vorstand ist.

Culture Clash beim Dinner
Auf dieses Abendessen lässt Regisseur Simon Verhoeven den ganzen Film zulaufen, um dort die verschiedenen Fronten gegeneinander in Stellung zu bringen: auf der einen Seite die jungen Woken, die in jeder Bemerkung Rassismus, Sexismus oder kulturelle Aneignung wittern, auf der anderen Seite die mehr oder weniger veränderungsunwilligen Alten der „Das-wird-man-doch-noch-sagen-dürfen“-Fraktion. Wie schon in seiner Flüchtlingskomödie „Willkommen bei den Hartmanns“, fängt Verhoeven die überreizte gesellschaftliche Stimmung treffend ein.

Wie wollen wir sprechen?
Der Film teilt furchtlos Spitzen nach beiden Seiten aus. Gleichzeitig schlägt er aber einen versöhnlichen Ton an und plädiert für Entspannung zwischen den verhärteten Fronten: Er plädiert dafür, sich gegenseitig zuzuhören und gemeinsam eine neue Sprache zu finden, statt sich in Filterblasen immer weiter in die eigene Rechthaberei hineinzuschrauben. Die Diskussion darüber, wie wir sprechen wollen, bietet eigentlich schon reichlich Stoff.

Großartige alte weiße Männer im Ensemble
Doch Verhoeven schmeißt noch die Themen Selbstoptimierung, Künstliche Intelligenz und sexuelle Identitäten obendrauf. Und eine Vater-Tochter-Story gibt es auch noch. Dass der Film unter dieser Last nicht ächzend zusammenbricht, liegt auch am spielfreudigen Ensemble: allen voran die Riege der alten weißen Männer neben Jan-Josef Liefers, Fritz von Thun als renitenter Opa und Michael Maertens als opportunistischer Firmenchef.

„Alter weißer Mann“ ist, auch wenn der Titel das nicht vermuten lässt, eine warmherzige Komödie, die nicht vorgibt, alles besser zu wissen. Das ist in diesen empörungsbereiten Zeiten gar nicht mal so wenig.


Alter weißer Mann: Wenn Irrlichtern zur Qualität wird

Von Christoph Petersen/ filmstarts.de

Die Fronten scheinen verhärtet, zumindest in großen Teilen des Internets. Auf der einen Seite werden Wokeness und Cancel Culture zum Untergang des Abendlandes hochstilisiert, während die andere Seite mitunter allzu leichtfertig Menschen als Rassist*innen oder Sexist*innen abstempelt, nur weil bestimmte (akademische) Codes nicht bis ins Effeff beherrscht werden. Daraus resultieren Social-Media-Kommentare, Meinungskolumnen und auch Filme, deren Urheber*innen stets ganz genau zu wissen scheinen, was denn nun richtig und was falsch ist. In den besten Fällen erweist sich das als pointiert und bissig, geht aber auch ein wenig an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei: Ist es nicht vielmehr so, dass die meisten es durchaus „gut“ machen wollen, dabei manchmal Erfolg haben und manchmal scheitern, an der einen Stelle mitgehen und an der anderen skeptisch bleiben?

So ließe sich wohl auch die Einstellung von Simon Verhoeven (definitiv weiß und mit 52 womöglich auch schon ein bisschen älter) beschreiben: Mit „Willkommen bei den Hartmanns“ hat der Münchner vor acht Jahren einen Film vor dem Hintergrund der damaligen Flüchtlingskrise abgeliefert, der zwar voll auf Verständnisförderung setzt, zugleich aber auch Angela Merkels ikonischen Ausspruch „Wir schaffen das!“ auf seine Alltagstauglichkeit abklopft. Die Komödie traf ganz offensichtlich einen Nerv, 2016 reichte es für mehr als 3,8 Millionen Kinobesucher*innen und Platz 5 der Jahrescharts. Nun legt der „Girl You Know It’s True“-Regisseur mit dem selbsterklärend betitelten „Alter weißer Mann“ einen vergleichbaren Film zu einem anderen heißen Eisen nach – und wieder geht er dabei mit einem ähnlichen Maß an Naivität/Neugierde/Offenheit zur Sache: Am Ende wird keine Seite mit „Alter weißer Mann“ hundertprozentig zufrieden sein – und gerade das ist seine Stärke.

Der dreifache Familienvater Heinz Hellmich (Jan Josef Liefers) ist bei der Fernfunk AG für das Marketing zuständig, wo hinter jeder auch noch so harmlos anmutenden Ecke der nächste potenzielle Shitstorm lauert. So wird auf dem neuesten Werbeplakat aus der anfänglichen weißen Kernfamilie schnell eine riesige Menschentraube, um nur niemanden außen vor zu lassen. Dabei muss gerade jetzt alles möglichst reibungsfrei ablaufen: Nach einem folgenschweren Tippfehler beim Börsenspekulieren setzt Heinz alles auf eine anstehende Beförderung – aber als er bei einem Firmenmeeting die asiatisch lesbare Unternehmensberaterin Lian Bell (Yun Huang) mit einer Servicekraft verwechselt, steht seine berufliche Zukunft plötzlich auf der Kippe.

Allerdings hat sein Chef Dr. Steinhofer (Michael Maertens) einen rettenden Einfall: Heinz und seine Frau Carla (Nadja Uhl) sollen ein Dinner ausrichten, um sich und ihre Familie vor Lian Bell und dem ebenfalls zukunftsorientiert angeheuerten KI-Spezialisten Älex Sahavi (Elyas M’Barek) in einem anderen, progressiveren Licht zu präsentieren. Aber wie kommt man bloß los vom Image des „Alten weißen Mannes“, wenn im DVD-Regal ausgerechnet „Der weiße Hai“ herumsteht, an den Wänden nur Bilder weißer Menschen hängen und am entscheidenden Abend dann plötzlich auch noch der ganz und gar nicht politisch korrekte Opa Georg (Friedrich von Thun) unangemeldet vor der Tür steht?

Ganz anders als erwartet
Er ist zwar mehr orange als weiß, aber als wir erstmals den Titel des Films gehört haben, erschien uns sofort ein bürgerlicher Donald Trump oder ein ähnlich karikaturesker Meckeronkel als logischer Protagonist vor dem inneren Auge. Aber Pustekuchen! Heinz Hellmich entspricht eher nicht den gängigen Klischees: Sicherlich ist er als schnurrbärtiger Einfamilienhaus-Dreifachpapa jetzt nicht gerade hip, aber er kennt sich mit den einschlägigen Inklusions-Konzepten und politisch korrekten Termini durchaus aus – und er verwendet sie auch nicht nur, weil sein Job das verlangt, sondern weil er tatsächlich dran glaubt. Aber so ganz kann er aus seiner Haut eben nicht heraus, und so stolpert er trotz aller guten Absichten von einem Fettnäpfchen ins nächste, während der Film und wohl auch ein Großteil des Publikums auf seiner Seite stehen.

„Alter weißer Mann“ ist weder eine Abrechnung mit alten weißen Männern – noch springt er vorbehaltlos für ihre Ehrenrettung in die Bresche. Aber zumindest ein gewisses Verständnis weckt er schon, wenn er seinen Protagonisten immer wieder über die Fallstricke der Polítical Correctness stolpern (aber nie stürzen) lässt und ihn dazu auch noch mit den potenziell menschenverachtenden Abgründen einer KI-gesteuerten Firmenstrategie konfrontiert: „Fack Ju Göhte“-Star Elyas M’Barek ist als Silicon-Valley-Aufschneider mit in den Spitzen blondierten Haaren herrlich schmierig – und die von ihm implementierte KI SAM, die in Form eines niedlichen Emoji-Gesichts auf den Bildschirmen zu sehen ist, erweist sich als wahrhaftiges Teufelszeug. Aber missen möchte man sie trotzdem nicht, denn viele der lautesten Lacher gehen eindeutig auf ihr Konto.

Ein wenig wirkt das Skript zu „Alter weißer Mann“ schon so, als hätte sich Simon Verhoeven über die vergangenen Jahre eine (ziemlich lange) Liste mit all den Dingen angelegt, die in der aktuellen Debatte eine Rolle spielen – und dann auch den Anspruch gehabt, das alles irgendwie unterzubekommen: Zu vielem davon sind ihm gute Gags eingefallen, manches wirkt aber auch einfach nur wie runtergerattert, etwa wenn der Großvater ein (grenzwertig-)rassistisch-sexistisches „Best-of“ inklusive des Klassikers „Nein, ich meine, wo du wirklich herkommst?“ abfeuert. Mitunter scheint da sogar etwas durcheinandergekommen zu sein, etwa wenn er eine VR-Brille mit Snapchat-Filtern kombiniert. Aber insgesamt ist die Trefferquote gerade dafür, dass hier auf keine Seite einfach nur draufgehauen wird, erfreulich solide geraten.

Für reichlich Lacher und genügend Diskussionsstoff für die Heimfahrt nach dem Kinobesuch ist also gesorgt. Aber das schlagende Herz des Films ist gar nicht sein satirischer Sprengstoff, sondern die Geschichte einer am Rande des Zerbrechens stehenden Familie, die erst wieder Selbstironie und Lockerheit lernen muss, um zusammenzuwachsen. In dieser Hinsicht ist Simon Verhoeven dann womöglich doch wieder ein (spießiger) alter weißer Mann, aber wenn das Ergebnis so sympathisch ausfällt wie beim finalen Anti-alter-weißer-Mann-Abendessen, dann haben wir da ehrlicherweise gar nicht unbedingt etwas dagegen.

Fazit: Eine eher sympathische als bissige Zeitgeist-Komödie, die gerade deshalb überzeugt, weil sie nicht so tut, als hätte sie – in die eine oder die andere Richtung – eh alles voll durchschaut. Stattdessen irrlichtert Simon Verhoeven zwar ohne klare Zielrichtung, aber dafür dennoch mit überzeugender Trefferquote durch den aktuellen Diskurs – und am Ende entpuppt sich eine (ziemlich arschige) Künstliche Intelligenz namens SAM als zuverlässigster Szenendieb!