Der Zopf
B/CDN/F/I 23, R: Laetitia Colombani , FSK: 12, 130 min
Drei Frauen, drei Kontinente, drei Schicksale, die unterschiedlicher nicht sein könnten:
Obwohl Smita, Giulia und Sarah sich nie begegnet sind, sind ihre Leben auf bewegende, einzigartige Weise miteinander verwoben. Das fein gesponnene Drama flicht aus drei losen Strängen ein kraftvolles Filmkunstwerk über drei Frauen und ihren Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmtheit. Der Film mit großem Gespür für den Moment ist eine lebendige, tief berührende Erinnerung an das, was uns alle verbindet – über Grenzen, Sprachen und Kulturen hinweg – mit drei begeisternden Darstellerinnen und eingehüllt in die wunderbaren Kompositionen von Ludovico Einaudi.
In Indien ist Smita (Mia Maelzer) eine „Unberührbare“. Da sie als Angehörige der untersten Kaste der hinduistischen Gesellschaft angehört, scheint ihr Traum, ihrer kleinen Tochter eine Ausbildung zu ermöglichen, schier unerreichbar. Doch auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sich selbst und ihr Kind ist der jungen Frau kein Risiko zu groß.
Giulia (Fotinì Peluso) hingegen arbeitet auf Sizilien in der Perückenwerkstatt ihres Vaters, der letzten ihrer Art in ganz Palermo. Ein harter Schicksalsschlag lässt die Italienerin schmerzlich feststellen, dass die Existenz der Familie auf dem Spiel steht.
In Kanada ist Sarah (Kim Raver) als zweimal geschiedene Mutter dreier Kinder und erfolgreiche Anwältin einem großen Druck ausgesetzt. Als sie endlich mit der Beförderung rechnet, auf die sie ihr ganzes Berufsleben lang hingearbeitet hat, wird sie mit einer schwerwiegenden Diagnose konfrontiert.
Das fein gesponnene Drama DER ZOPF ist die jüngste Regiearbeit von Multitalent Laetitia Colombani („Wahnsinnig verliebt“), die ihren eigenen gleichnamigen Bestsellerroman für die große Leinwand adaptierte und zusammen mit Sarah Kaminsky („Gauguin“) auch das Drehbuch schrieb.
Der Film läuft auch am Mi 01.05. | 19:30 Uhr im Kronenkino Zittau.
Filmkritik: Der Zopf
Peter Osteried, programmkino.de
Laetitia Colombani hat mit „Der Zopf“ ihren eigenen Roman aus dem Jahr 2017 verfilmt. Sie erzählt die Geschichte dreier Frauen – einer in Indien, einer in Italien, einer in Kanada –, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnten, die aber etwas verbindet. Diese gibt es recht offensichtlich, wirkmächtiger ist jedoch das Gefühl einer geteilten menschlichen Erfahrung, die einfach jeden erfasst.
Es sind drei Geschichten, die Laetitia Colombani miteinander verwebt und abwechselnd erzählt. Der Anfang findet in Indien statt, in der Smita mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt. Sie sind Unberührbare und gehören damit der niedrigsten Kaste an. Smita wünscht sich ein besseres Leben für ihre Tochter, weswegen die Familie eine gefährliche Reise auf sich nimmt. In Italien muss Giulia nach einem schweren Unfall ihres Vaters die Perückenmanufaktur übernehmen, aber feststellen, dass diese fast dem Ruin nahe ist. Zudem liebt sie einen Sikh, was in ihrer Gegend alles andere als toleriert wird. Sarah ist eine Anwältin in Montreal, die auf der Karriereleiter auf dem Weg nach oben ist, aber dann trifft sie ein Schicksalsschlag schwer.
Es kann für Colombani nicht leicht gewesen sein, ihren Roman auf die Erzählform eines Films mit zwei Stunden Laufzeit zu kondensieren, aber man hat nie das Gefühl, dass etwas fehlt. Zugleich verweigert sie sich auch der Versuchung, die Geschichte im Melodramatischen versinken zu lassen. Gelegenheit dazu hätte sie genug gehabt. Stattdessen wirft sie den Blick aufs weibliche Leben über Grenzen, Länder und Traditionen hinweg. Die Leben dieser drei Frauen könnten nicht unterschiedlicher sein und doch verbindet sie etwas. Was, das wird am Ende klar und ist auch einigermaßen vorhersehbar.
Das ist der wohl schwächste Aspekt dieses ansonsten eindrucksvollen Films. Denn weit faszinierender ist der Gedanke einer geteilten menschlichen Erfahrung, weil die Umstände zwar unterschiedlich sein mögen, aber letztlich doch alles auf eine ganz einfache Wahrheit heruntergebrochen werden kann – dem menschlichen Streben nach Glückseligkeit.
Im Grunde werden nicht nur drei Geschichten erzählt, es stellt sich sogar das Gefühl ein, als würde man drei Filme sehen, denn Chefkameramann Ronald Plante hat für jede der drei Geschichten einen anderen Ansatz gewählt. Das beginnt bei der Farbpalette – Indien ist eher warm, Kanada kalt, Italien irgendwo dazwischen – und endet bei der Art, wie die Bilder eingefangen werden. So wirkt gerade der Teil in Indien auch sehr dokumentarisch, während etwa der italienische Teil einer gewissen Romantik nachhängt.
Colombani erzählt selbstsicher und mitreißend. Sie schafft es, dem Publikum ein Gefühl dafür zu geben, was es heißt, eine Frau zu sein, womit sie dem männlichen Publikum vielleicht ein klein wenig die Augen öffnen kann.