Dokfilm & Gespräch:
Petra Kelly – Act Now!
D 24, R: Doris Metz, FSK: 12, 109 min
Petra Kelly zählte zu den bedeutendsten politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1980 war sie maßgeblich an der Gründung der deutschen Grünen Partei beteiligt. Ihr Kampf galt einem radikalen sozialen Wandel, der Abrüstung und einer Gesellschaft im Einklang mit der Natur. Kelly verband Umwelt-, Friedens- und Menschenrechtsfragen zu einer unzertrennlichen Einheit.
Auf dem Höhepunkt des Rüstungswettlaufs zwischen Ost und West zu Beginn der 1980er Jahre brachte sie Hunderttausende auf die Straße, um gegen die Stationierung von Atomraketen auf westdeutschem Boden zu protestieren. Petra Kelly wurde bekannt als eine Frau, die in der Lage war, eine neue, weltverändernde Politik zu begründen und es mit zwei Supermächten aufzunehmen.
Aufgewachsen in den 1960er Jahren im Amerika ihrer Mutter und Großmutter, engagierte sich Kelly leidenschaftlich für die Wahl Robert Kennedys und glaubte fest daran, dass ein einzelner Mensch die Welt verändern kann. Inspiriert von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und dem Konzept des „zivilen Ungehorsams“ von Martin Luther King, setzte sie sich für Umweltschutz, das Verbot des Uranabbaus und die Friedensbewegungen in Ost und West ein.
Die Themen, die Kelly bewegten, sind dabei aktueller denn je. Heute wird ihr spirituelles Erbe von zahlreichen jungen Klimaaktivisten fortgeführt. Durch enge Freunde und Wegbegleiter werden erstmals Einblicke in Kellys persönliches und politisches Leben ermöglicht. Mit bislang unveröffentlichtem internationalen Filmmaterial wird das Porträt einer sensiblen und unerschütterlichen Frau gezeichnet, die sich von niemandem aufhalten ließ.
Petra Kelly im Bundestag
Es gilt, mit PETRA KELLY – ACT NOW! eine politische Aktivistin wiederzuentdecken, die in ihrem Kampf für Frauenrechte und Klimaschutz und ihrer internationalen Ausrichtung und Vernetzung eine Ausnahmeerscheinung war. Ihrer Zeit weit voraus und heute ein Vorbild für viele junge Menschen, die zur Rettung unseres Planeten auch außerhalb des Politikbetriebes ihr Recht auf bürgerschaftliches Engagement in Anspruch nehmen. Die sehr persönliche Dokumentation erinnert an ihren aufopferungsvollen Kampf, für den sie einen hohen persönlichen Preis zahlen musste, und diskutiert noch einmal die mysteriösen Umstände ihres Todes.
Pressestimmen zum Film
Petra Kelly – Act Now!
(Michael Meyns, Programmkino.de)
Sie war Mitbegründerin der Grünen, hoffte, die Welt zu verändern, und starb einen mysteriösen Tod. Petra Kelly deren Leben Doris Metz in ihrem Dokumentarfilm „Petra Kelly – Act Now!“ zum Vorbild einer neuen Generation von Aktivisten stilisiert. Was Kelly vielleicht auch war, aber auch zeigt, wie sehr der notwendige Ruf nach Veränderung seit Jahrzehnten auf der Stelle tritt.
Über 40 Jahre gibt es die Grünen inzwischen, seit 40 Jahren setzen sich die Mitglieder der Partei für Umweltschutz, einen nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen ein, weisen auf die drohende Klimakrise hin, die auch Anfang der 80er Jahre zu erahnen war, wenn auch noch nicht mit solcher Wucht wie in der Gegenwart, wo fast monatlich neue Temperaturrekorde aufgestellt werden.
Längst sind die Grünen zu einem festen Teil des bundesdeutschen Parteienspektrums geworden, doch zu mehr als 15-20% reicht es selten, außer in den städtischen Hochburgen. Seltsam, denn eigentlich ist das Bewusstsein für den Klimawandel in weiten Teilen der Bevölkerung gewachsen, wird langsam sogar den meisten CDU-Abgeordneten klar, das immer häufigere Hochwasser oder Hitzetage nicht einfach nur Wetter sind, sondern Zeichen des Klimawandels.
Als die Grünen gegründet wurden, befand sich die Umweltbewegung noch in ihren Anfängen, wurden Proteste gegen Atomkraft eher als randständig betrachtet. Damals ganz vorne dabei war Petra Kelly, eines der Gründungsmitglieder der Grünen, die auch 30 Jahre nach ihrem Tod eine der schillerndsten Gestalten der Umweltbewegung bleibt.
Die Dokumentarfilmerin Doris Metz hat für ihren Film vielfältiges Dokumentarmaterial zusammengetragen, Interviews mit Weggefährten und Zeitzeugen wie Otto Schily oder Eva Quistorp geführt, aber auch mit Aktivistinnen aus der heutigen Zeit, vor allem Luisa Neubauer. Petra Kelly wird durch diesen grundsätzlich neutralen, aber doch unweigerlich hagiographischen Blick zu so etwas wie einer Ikone des modernen Umweltschutzes, die schon zu einem Zeitpunkt erkannte, was wichtig ist, bevor fast alle anderen Deutschen daran dachten, Energie zu sparen oder auf Fernflüge zu verzichten.
Unterschwellig deutet sich langsam jedoch auch an, wie sehr Kelly der Kampf um eine Veränderung der westlichen Lebensvorstellungen psychisch, aber auch physisch belastet hat. Immer wieder und wieder gegen Windmühlen anrennen, Abrüstung zu fordern, sich für Umweltschutz einsetzen und dabei auch noch als Frau dem in den 80er Jahren noch frappierenden Sexismus der Gesellschaft, aber auch dem Parlament ausgesetzt zu sein, war für Kelly offensichtlich extrem belastend.
Wie sehr diese Belastung in ihren letzten Lebensjahren bestimmte, nachdem sie 1990 aus dem Bundestag ausgeschieden war, kann auch Doris Metz nur ahnen und andeuten. Erst recht wenn es um das tragische Ende ihrer Beziehung mit dem ehemaligen Bundeswehrmajor Gert Bastian geht, der den extremen Weg von einem Wehrmachtssoldaten, der an der Ostfront verwundet wurde, zu einem Mitglied der Friedensbewegung und den Grünen durchlebte. Im Oktober 1992 wurden die Leichen von Bastian und Kelly in ihren Haus in Bonn gefunden, anfangs war noch fast romantisch von einem Doppelselbstmord die Rede, was allerdings ohne Abschiedsschreiben und der Tatsache, das Bastian Kelly wohl im Schlaf erschoss, bevor er die Pistole gegen sich selbst richtete, etwas bizarr anmutet. Was genau passierte, wie und warum Kelly ums Leben kam, wird sich wohl nie mit Genauigkeit sagen lassen. Die Rätsel ihres Todes passen jedoch zu einem Leben, das vom Kampf um Klimagerechtigkeit geprägt war, lange bevor Luisa Neubauer und Co. diesen Begriff in die Mitte der Gesellschaft brachten. Man muss sich wünschen, dass er jetzt endlich gehört wird und nicht wie vor 40 Jahren bei Petra Kelly vom tagespolitischen Geschäft übertönt wird. Mit ihrem Dokumentarfilm „Petra Kelly – Act Now!“ zeichnet Doris Metz leben und sterben einer der ikonischsten Figuren der Grünen nach, deren konsequentes Handeln manchen zeitgenössischen Parteigenossen ein Vorbild sein sollte.
Eine moralische Haltung, für die Grüne heute gegeißelt werden
(Elisabeth von Thadden, Die Zeit)
Pazifistin, Feministin, Grünenmitgründerin: Petra Kelly war eine Ikone der 1980er-Jahre. Eine Dokumentation erinnert an ihren politischen Kampf und ihr tragisches Ende.
Hyperernst. Sie spricht von Anfang an mit ihrer hellen, sich überstürzenden Stimme. Es ist diese Frauenstimme, der die Regisseurin Doris Metz im Film Petra Kelly – Act Now! Gehör verschaffen will. Sie klingt nach Zeitdruck – und sie klingt heute aktueller, als es einem lieb sein kann: keinen Krieg! Keine Mittelstreckenraketen! Reden!
Das waren die Forderungen von Petra Kelly, einer weiblichen Ikone der Achtzigerjahre: Ökofeministin, Pazifistin, Bürgerrechtlerin, Mitgründerin der Grünen, zu Tränen gerührt in der Ostberliner Marienkirche im Oktober 1989 angesichts des gewaltlosen Muts der Ostdeutschen, „Ihr seid uns voraus“. Und eine tragische Figur des Ringens um Gewaltlosigkeit, 1992 getötet von ihrem Lebensgefährten, einem ehemaligen General. Die Gründe der Tat sind bis heute nicht eindeutig zu klären.
Die grünen Archive des friedensbewegten Jahrzehnts geben für diese Dokumentation viele kaum bekannte Quellen her, und Kellys damalige Freunde kommentieren im Film das kosmopolitische Frauenleben – der heute 92-jährige Otto Schily im Dreiteiler, die grüne Gründerfigur Eva Quistorp oder der betagte indigene Umweltaktivist Milo Yellow Hair, ein Lakota, im T-Shirt mit DDR-Ampelmännchen. Alles alte Leute heute. Es ist bitter, sagt Kellys enger Weggefährte Lukas Beckmann: Was wir heute über die ökologischen Krisen wissen, war schon damals bekannt. Passiert ist wenig. Wo ist die kostbare Zeit geblieben?
Die Dringlichkeit zu handeln, hat Petra Kelly bereits in den Siebzigern mit den Winzern in Wyhl beschworen: gegen die Atomkraft, jetzt! In den Filmaufnahmen von damals reden knarzige Bauern über ihre Bewunderung für diese Frau. In ihrem Beschleunigungston, auf Englisch wie auf Deutsch, spricht Kelly 1981 vor Hunderttausenden im Bonner Hofgarten, 1985 vor einer UN-Konferenz, im überfüllten New Yorker Central Park tritt sie mit Bob Dylan und Joan Baez auf, sie redet vor den feixenden Männerkollegen 1983 im Deutschen Bundestag, sie spricht mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und hat für ihn gleich ein paar Plakate in einer Tüte dabei: „Schwerter zu Pflugscharen“, „Lasst den Frieden frei“.
Überall, wo Petra Kelly auftaucht, sind Kameras, diese weltläufige Menschenfreundin ist ein Unikum. Oft wirkt sie wie eine Fremde. Einsam. Was Kelly der Welt, auch wenn die es nicht hören will, mitteilt: Die Zeit läuft uns davon, wir reden und nichts geschieht. Und redet noch schneller: Die Welt brennt, und wir sagen, wir seien müde, das geht leider nicht. Ein atomarer Weltkrieg droht, der Energieverbrauch der Reichen lässt für den Rest der Welt nichts übrig. Menschenrechte werden mit Füßen getreten. Wer Petra Kelly nur für ihren Moralüberschuss kennt, kann nun lernen: Sie war sich nicht zu schade fürs Kleingedruckte. Neun Jahre hat sie in der EU-Bürokratie gearbeitet, 99 Prozent Männer. Ihren Marsch durch die Institutionen hat sie früh begonnen.
Härter, bis ins Mark erschöpft, von Ängsten gejagt
Zu Beginn des Films, zumal auf Familienfotos, wirkt Kelly mädchenjung, feingliedrig, ihr Gesicht strahlt, und wo sie sich zeigt, sind Farben, manchmal als rosa Rüschen. Ihr Vorbild ist Martin Luther King, sie hat im Team von US-Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy gearbeitet, ihre politische Energie ist amerikanisch. Im Deutschland der grauen Anzüge staunt man, nur selten höflich. Oder man hasst sie: als eifernde Kampfziege.
Mit den Jahren wirkt die Frau hager, härter, bis ins Mark erschöpft. Von Ängsten gejagt: Rechtsextreme sind ihr mit widerwärtigen Drohungen auf den Fersen. Schließlich geht sie auch ihrem eigenen Milieu auf die Nerven. Doch die letzten Bilder zeigen: Lebensfreude. Nach ihrem Tod, ermordet mit 44 Jahren, versammeln sich zur Trauerfeier die großen Namen des demokratischen Europa, das die Mauer 1989 zum Einsturz brachte, Lew Kopelew, Bärbel Bohley, zusammen mit den Ökologen der Welt.
Petra Kelly hinterlässt eine moralische Haltung, für die Grüne heute gegeißelt werden. Dabei hat sich das grüne Milieu seit damals gründlich professionalisiert, es sitzt in den Rathäusern, den Ämtern, den Stadtwerken, schraubt an Normen und an Gesetzen. Und Luisa Neubauer, die mit Fridays for Future die ökologische Agenda neu auf die Straße getragen hat, eine Realistin auch sie, tritt in diesem Dokumentarfilm auf wie ein schöner Fortschritt.
Würde sich Petra Kelly heute auf die Straße kleben? Der Film gibt sich da sicher. Aber viel spricht dagegen: Vielleicht wäre sie in ein tibetisches Kloster gegangen. Oder zu den Lakota. Oder doch zu den Vereinten Nationen.
Petra Kelly – Act Now!
(Harald Mühlbeyer, Kino-Zeit)
Die Ur-Grüne
Doppelselbstmord. So wurde gelabelt, was im Oktober 1992 geschehen ist: Petra Kelly und ihr Lebens- und Politikpartner Gert Bastian tot aufgefunden in ihrer Wohnung. Auch ich, damals im jugendlichen Alter, glaubte bis jetzt an eine persönliche Tragödie. Doch möglicherweise wurde Petra Kelly im Schlaf erschossen und Gert Bastian brachte sich im Anschluss um – nicht Tragödie, sondern Mord. Über die Motive ließe sich spekulieren, aber das ist überhaupt nicht der Punkt, auf den „Petra Kelly – Act Now!“ hinauswill. Dem Film geht es darum, das Vorher aufzuzeigen. Und damit das, was mit dem Tod von Kelly verloren gegangen ist.
Kelly war das Vorzeigeschild der frühen Grünen-Partei. Gründerin, Parteisprecherin, Fraktionssprecherin, als es die Grünen 1983 tatsächlich schafften, in den Bundestag zu kommen. Sie war meinungsstark, und meistens war ihre Position durchaus die richtige. Sie war redegewandt, konnte starke Bilder schaffen, wusste genau, wann sie wie agieren, wo sie was auf welche Weise sagen konnte. Sie prangerte auf Demos vor Hunderttausenden die Politik an, sie sprach mit Honecker Klartext, sie mischte sich ein und wiegelte auf. Und wenn man Ausschnitte aus damaligen Bundestagsdebatten sieht, wenn man sieht, wie sie von Männern wie von Frauen angegangen wird, ganz persönlich, höchst aggressiv, wenn der Film die männerbündische Politik jener Tage zeigt, wenn man miterlebt – in den vielen Archivausschnitten wie auch in den heutigen Zeugenaussagen von Zeitgenossinnen und Freunden und Familie – , wie sie bedroht wurde, ganz offen und durchaus ernstzunehmend, mit Hate-Briefen, in einer Zeit, in der es für öffentlichen Hate noch keinerlei Bewusstsein gab, dann merkt man, wie sehr die damalige BRD diese Petra Kelly brauchte – jemanden, der vornewegschreitet und dabei jeden Scheißesturm abbekommt. Und dennoch weitergeht.
Und: Vor allem international war Kelly eine Ikone. Vernetzt mit den Antiatom-Bewegungen in Australien und Japan, vernetzt mit den irischen Gewerkschaften, vor allem vernetzt in den USA, wo sie seit Jugendzeiten aufgewachsen war. Politisch ausgebildet an der Uni in Washington, politisch gestärkt im Wahlkampfteam von Robert Kennedy und Hubert Humphrey, politisch gestählt in der Bürgerrechtsbewegung, wo sie die Konzepte von Ungehorsam und Gewaltfreiheit kennenlernte und tief in sich aufnahm. Und politisch geschliffen als Verwaltungsrätin für die EG-Kommission, jahrelang in Brüssel, wo sie die Mechanismen von Macht und Politik kennenlernte – und zu verabscheuen lernte.
Die Grünen waren eine Partei gegen die Parteien, die damals bräsig und selbstgerecht die Politik der Bundesrepublik durchexerzierten. Es war eine Partei gegen das Dogma der Atomkraft, gegen das Immerweiter der Nachwirtschaftswunderzeit, gegen das Vergessen von dem, was 35 Jahre vorher in Deutschland passiert war, und gegen die Zerstörung der Lebensgrundlagen aus dem einen Grund, weil man’s kann. Petra Kelly war mittendrin und vornedran.
Doch diese an sich schon faszinierende Geschichte ist nicht das, worauf sich Doris Metz in ihrem Film ausruht. Sie schafft es, mit klug gefundenen Gesprächspartnern – von Kellys engem Freund Otto Schily über Gert Bastians Büroleiterin bis zu Kellys Halbbruder in Virginia, USA – und aus dem sorgfältig recherchierten Material von damals einen emotionalen Bogen zu schaffen, und zwar nicht im Sinne sentimentaler Nostalgie, sondern als Porträt einer ikonischen Frau, die damals versuchte, was noch heute im Schwange ist. Immer wieder Bilder von Fridays for Future-Klimastreiks, von Letzte-Generation-Aktionen, und das Bekenntnis von Luisa Neubauer, im Nachhinein in Petra Kelly ein Vorbild gefunden zu haben: eine Frau, die Feminismus und Ökologie zusammendachte und zusammenbrachte und die damit dahin ging, wo die Macht liegt, etwas zu verändern.
Diese geschickt eingeflochtene Verbindung der vergangenen früh-grünen Tage mit dem heutigen verzweifelten Kampf um Klima- und Bürger- und Geschlechtergerechtigkeit macht den Film so relevant. Als Porträt einer Frau, und als Formulierung einer Utopie, die noch heute gültig ist, und die immer dringlicher erreicht werden muss. Weil die Welt seit Petra Kellys Tod vielleicht eben doch keine bessere geworden ist.