Dokfilm & Gespräch:
Guten Morgen, ihr Schönen!
Die Unbeugsamen II
D 24, R: Torsten Körner, FSK: 6, 109 min
Ein lebendiges Gruppenporträt ostdeutscher Frauen aus den verschiedensten Gesellschaftsbereichen der DDR.
15 selbstbewusste Frauen erzählen, wie auch im Land der staatlich verordneten Gleichberechtigung trotzdem das Patriarchat regierte und schaffen damit ein kraftvolles Kaleidoskop der Geschlechterbeziehungen im Arbeiter- und Bauernstaat. Der Film bietet den beeindruckenden Lebensleistungen der ostdeutschen Frauen und ihrem Kampf um Chancengleichheit eine fesselnde Bühne.
Mit dabei: Brunhilde Hanke, langjährige Oberbürgermeisterin von Potsdam, die Landwirtin und „Heldin der Arbeit“ Solveig Leo, die DEFA-Regieassistentin Barbara Mädler, die Historikerin und Publizistin Annette Leo, die Malerin Doris Ziegler, die Verhaltensbiologin Marina Grasse, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, die Punkerin Gabriele Stötzer, die Friedensaktivistin Ulrike Poppe, die Schauspielerin Katrin Sass, die Schlagzeugerin Tina Powileit, die Metallurgin Katrin Seyfarth, die Comiczeichnerin Anke Feuchtenberger, die Zahnarzthelferin Kerstin Bienert und die Tochter und Nachlass-Verwalterin der Malerin Annemirl Bauer, Amrei Bauer.
Seien Sie herzlich eingeladen zum Film und anschließendem Austausch und bringen Sie Ihre eigenen Erfahrungen und Geschichten mit!

Pressestimmen zum Film
Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!
Gaby Sikorski, Programmkino.de
„Frauen, wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern!“ Das Zitat der DDR-Regimekritikerin Annemirl Bauer steht am Ende von „Die Unbeugsamen“, der 2021 als Dokumentarfilm – trotz Corona! – die Kinos und das Publikum eroberte. Darin erzählte der Autor und Regisseur Torsten Körner über die Zeit der Bonner Republik und von den wenigen wackeren Ladys, die sich seit 1949 abgerackert hatten, um für ihre eigene Akzeptanz zu kämpfen – und natürlich auch für ihre Vorstellungen von Politik. Das schrie geradezu nach einer Fortsetzung. Und jetzt ist sie da: „Die Unbeugsamen 2“ erzählt von den Frauen in der DDR. Und auch hier geht es um die Kämpfe von Frauen in einer Gesellschaft, die von Männern und ihren Vorgaben geprägt ist.
Torsten Körners Gesprächspartnerinnen sind diesmal eher selten Politikerinnen, und zwar durchaus systembedingt. Er spricht mit Frauen aus allen Bereichen, darunter auch viele Künstlerinnen. Einige von ihnen sind bekannt, so wie Katrin Sass, Brunhilde Hanke, die langjährige Bürgermeisterin von Potsdam, oder die Autorin Katja Lange-Müller. Gemeinsam mit ihnen geht Torsten Körner zurück in die Vergangenheit und zeigt: Ebenso wie ihre West-Schwestern mussten sich auch die DDR-Frauen mit Benachteiligungen und Diskriminierung herumschlagen. Auf dem Papier hatten sie die volle Gleichberechtigung, aber das hieß zunächst, dass sie genauso schwer arbeiten mussten wie die Männer – darüber freuten sich viele und waren sogar bereit, eine ständige Überforderung in Kauf zu nehmen, denn Haushalt und Kinder waren im Westen wie im Osten weitgehend Frauensache. Die wenigsten Männer, besonders wenn sie was zu sagen hatten, waren bereit, ihre Macht mit anderen zu teilen, und schon gar nicht mit einer Frau. Eine Frau als Chef? Das war bis in die 1980er Jahre für viele eine unmögliche Vorstellung – hier wie dort ließen sich die Männer am liebsten bedienen. So war es schon eine echte Sensation, wenn sich die Chefs am Frauentag eine Schürze umbanden und den Damen Kaffee und Kuchen servierten. Einmal im Jahr. Und die Frauen jubelten ihnen zu.
Laut Frauenreport von 1990, so ist zu erfahren, wurden die Frauen in der DDR ebenso wie in der Bundesrepublik im Schnitt schlechter bezahlt und hatten weniger Aufstiegschancen. Genau wie im Westen mussten also auch die Frauen im Osten für ihre Rechte kämpfen. Und das taten sie mit List und Tücke, mit Humor und Köpfchen.
Torsten Körner erzählt die Geschichte dieser Befreiung, in kurzen Kapiteln und mit passenden Inserts. In geschickt montierten Interviews (toller Bildschnitt: Sandra Brandl) stellt er viele unterschiedliche Frauen vor – ein Gruppenporträt, das von seiner Vielfalt ebenso lebt wie von der gemeinsamen Motivation, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen. Das ist atmosphärisch ebenso gelungen, aber ganz anders als im ersten Film, der eine relativ überschaubare Anzahl von Frauen zeigte, die sich alle beruflich der Politik verschrieben hatten. Hier ist die Wirkung insgesamt eine andere – die Unterschiede werden stärker hervorgehoben, wodurch ein kontrastreiches Gesamtbild entsteht, das von Frauen aus Kunst und Kultur dominiert wird. Auch diesmal werden die Gespräche mit Fotos, Filmclips oder TV- Ausschnitten und mit passenden DDR-Songs kombiniert. Als visuelle Verbindung zwischen den Frauen und den Themen dienen DDR-Kunstwerke an öffentlichen Gebäuden, meist Sozialistischer Realismus in Reinkultur – auch in der Kunst spiegelt sich die politisch erwünschte Frauenrolle. In diesem System galt der Feminismus weder als notwendig noch erstrebenswert, denn die Gleichberechtigung war ja (angeblich) schon da. Doch es regte sich immer mehr Widerstand. So wird der feministischen Malerin Annamirl Bauer, die mit ihrer rebellischen Kunst zur Außenseiterin wurde, ein eigenes Kapitel gewidmet.
Torsten Körner gelingt es, seinem Film von der ersten bis zur letzten Minute eine angenehme und leicht nostalgisch angehauchte Atmosphäre zu geben. Nach einem scheinbar harmlosen Beginn mit vielen kleinen Geschichten vom Frauenleben in der DDR steigert sich die Intensität, der Film dringt immer stärker in den Bereich „Frauen und Systemkritik“ ein, und das nicht nur, weil bekanntere Stimmen der DDR-Opposition zur Sprache kommen. Parallel dazu entwickelt sich eine schöne Ironie aus dem Miteinander und Gegeneinander von Erzählungen und Bildern aus der Vergangenheit. „Emanzipierte Frauen sind alle potentielle Dissidenten“, lautet das Zitat von Irmtraud Morgner, der 1990 verstorbenen Autorin. Katja Lange-Müller, die Schriftstellerin, die ebenso vergnügt wie beständig Kette raucht, erzählt von ihrem „unhandlichen Leben“: Sich durchbeißen oder durchgebissen werden, hieß die Devise. Frauen wurden als billige Arbeitskräfte gebraucht und ausgenutzt. Und viele waren auch noch glücklich darüber …
Torsten Körner zeigt auch Bilder von abgearbeiteten, ausgelaugten Frauen, kaputt vom Schuften und von der Last der Familienarbeit. Zum Dank für ihren Einsatz durfte die DDR-Frau zum Mythos werden: Sie gilt heute als Superheldin des Alltags, im Gegensatz zu ihren West-Schwestern fortschrittlicher, freizügiger und emanzipierter. Wer sich aber als Frau in diesem Staat mit seinen ausgeklügelten Belohnungs- und Unterdrückungsstrukturen behaupten wollte, musste gegen ein ebenso restriktives patriarchales System kämpfen wie im von der DDR so oft und gern verteufelten Westen. Körner entlarvt die DDR-Ideologie als prinzipiell frauenfeindlich, er erzählt von Friedensaktivistinnen wie Ulrike Poppe oder von der legendären Steffie Spira. Bei gleichbleibend leichter und lockerer Stimmung taucht Torsten Körner mit seinen Protagonistinnen immer tiefer ein in die Lebenswelten von Frauen in der DDR. Und er zeigt einen der schönsten Filmausschnitte aus einem der besten DDR-Filme: „Solo Sunny“ (Konrad Wolf, 1980) mit der unvergessenen Renate Krößner. „Ist ohne Frühstück“, grummelt sie am Morgen ihrem One Night Stand entgegen, und als der widersprechen will, raunzt sie hinterher: „Ist auch ohne Diskussion.“
Wie gesagt: Humor und Köpfchen.
Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr schönen!
Cosima Lutz, Filmdienst
Doku über Frauen in der DDR und wie sie Beruf und Privatleben gemanagt haben.
Eine Szene in „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!“ von Torsten Körner bündelt die ganze Tragikomik, die entstehen kann, wenn ein politisches Programm auf die Wirklichkeit trifft. Da spricht Erich Honecker im näselnden Singsang eine Dankesrede. Geehrt werden soll die Leiterin der Abteilung Frauen des Zentralkomitees der SED, Inge Lange, „für ihre Verdienste um die Gleichberechtigung“. Die schwenkende Kamera zoomt langsam auf. Honecker und weitere Männer stehen bildfüllend rechts, auf der anderen Seite harrt einsam die Geehrte. Sie lächelt fein. Ob über diese offensichtliche Asymmetrie, ist nicht überliefert.
Gleichberechtigt? Ein guter Witz!
Die vom SED-Staat verordnete Gleichberechtigung von Mann und Frau war offenbar eher ein guter Witz. Den auszuhalten und zu kontern, setzte bei der Hälfte der erwachsenen Bevölkerung einen speziellen Humor, viel innere Freiheit und vor allem viel Kraft voraus. Wurde doch von den Frauen erwartet, neben dem oft knochenharten Vollzeitjob in einer zweiten Schicht zuhause auch noch Mann und Kinder zu bespaßen. Nebenbei durften sich viele von ihnen im Beruf anhören, dass sie als Frau für „so eine Arbeit“ nicht geeignet seien: riesige Agrarmaschinen zu steuern, in Walzwerken Führungsaufgaben zu übernehmen oder auch Künstlerin zu werden.
Im Kino hat man bislang wenig darüber gesehen, wie vielfältig die Frauen diese Grätsche zwischen real existierendem Patriarchat und progressivem Selbstverständnis zu nehmen wussten, als LPG-Vorsitzende, Künstlerinnen, Metallurginnen, Bürgermeisterinnen und Schriftstellerinnen. Als grenznah aufgewachsener Wessi könnte man fast sauer darüber sein, welche sehr verschiedenen, zur Selbstermächtigung inspirierenden und nicht zuletzt äußerst coolen und unterhaltsamen Perspektiven auf das Leben einem da bislang vorenthalten worden sind.
In seinem Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ (2021) porträtierte Thorsten Körner Politikerinnen der Bonner Republik. Ganz ohne Off-Kommentar, mit frappierendem Archivmaterial und in den Kulissen von damals stellte dieser Film indirekt Fragen auch ans Jetzt: Wer hat das Sagen, wer darf sprechen? Sind wir bei der Gleichstellung wirklich weitergekommen?
Nun also das Ganze auf ostdeutsch? Nicht ganz. Zwar eröffnet Körner auch in seinem neuen Film Denkräume, indem er die Porträtierten zum Teil an den Stätten vergangenen beruflichen Wirkens befragt, was er mit historischem Bildmaterial ins Gespräch bringt und mit den Erzählungen der Zeitzeuginnen schwingen lässt. Doch es gab in der DDR kein vergleichbares weibliches Polit-Personal und zudem erst am Ende freie Wahlen.
Die Metapher vom Haus
Außerdem erwies es sich als schwieriger, Räume zu finden, die nicht nur „Lost Places“ sind. Körner bemerkt eine „Mentalität strafender Identitätsauslöschung durch Abriss“ nach der Wiedervereinigung, ein „geschichtsvergessenes Abräumen von alltagsbestimmenden Artefakten“. Weshalb sich die Metapher vom Hausbau und die Sehnsucht nach einem Zuhause wie ein roter Faden durch den essayistisch anmutenden Film zieht, sei es in Schlagern, Popsongs oder Wandmosaiken. Der Staat als Haus, der versprochene ideale Staat als Traumhaus. Oder Luftschloss.
Als Rekonstrukteur nicht nur des real existiert habenden, sondern auch des erträumten „anderen“ Staates bezieht Körner viele Szenen auch aus weniger bekannten, subversiven DEFA-Filmen, aus Wochenschau-Beiträgen, etwa über den Frauentag, oder sehnsuchtsvoll schmachtenden DDR-Schlagern mit ein. In dem Kapitel „Heldinnen der Arbeit“montiert er zu dem Song „Daß ich eine Schneeflocke wär“ von Veronika Fischer Ausschnitte aus drei DEFA-Dokumentarfilmen: „Posten Neun Neumann“ (1980), „Woran wir uns erinnern“ (1984) und „Film von gestern“ (1979). Alle drei stellen den Arbeits- und Ehealltag von Frauen realistisch aus. Vom verordneten pathetischen „Zuversichtston“ (Körner) keine Spur.
Eindrucksvolle Porträts
Diese Montagen haben nichts von nostalgischen Bilderbögen. Körners forschendes Begehren gleicht eher einer für Brüche offenen Revision. Herzstück sind jedoch wieder die Porträts. Frauen wie Brunhilde Hanke, langjährige Oberbürgermeisterin von Potsdam, die Landwirtin und „Heldin der Arbeit“ Solveig Leo, die DEFA-Regieassistentin Barbara Mädler, die Historikerin und Publizistin Annette Leo, die Malerin Doris Ziegler, die Verhaltensbiologin Marina Grasse, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, die Punkerin Gabriele Stötzer, die Friedensaktivistin Ulrike Poppe, die Schauspielerin Katrin Sass, die Schlagzeugerin Tina Powileit, die Metallurgin Katrin Seyfarth, die Comiczeichnerin Anke Feuchtenberger, die Zahnarzthelferin Kerstin Bienert und die Tochter und Nachlass-Verwalterin der Malerin Annemirl Bauer, Amrei Bauer: Sie sitzen in Ateliers, einstigen staatstragenden Büros, verwaisten Fabrikhallen. Autobiografische Erzählung und zeitgeschichtliche Analyse verlaufen entlang matrilinearer Biografien und sind eingebettet in eine Orientierung schaffende, eher spielerische Kapiteleinteilung.
Den Brüchen und Kontinuitäten von Anpassung, innerer oder auch handfester Dissidenz samt Knasterfahrung und Punk-Werdung über mehrere Generationen zu folgen, ist in vielen überraschenden Momenten ein großes, nie erschöpfendes Vergnügen. Etwa wenn die kettenrauchende Tochter von Inge Lange, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller, im Raucherinnen-Bariton vergnügt von ihrer „trickreichen“ und „listigen“ Oma erzählt. Die habe meist einfach das Gegenteil dessen gemacht, was die strenge, dem Staat dienende Mutter für vernünftig hielt. Doch selbst eine Politikerin wie Inge Lange, die 1972 die Abschaffung des Paragrafen § 218 mitverantwortete, stieß an die gläserne Decke. Barbara Mädler, spät berufene DEFA-Regieassistentin, formuliert es so: Die Förderung von Frauen habe eine klare Grenze gehabt. Sie durften nicht in Positionen kommen, „wo sie der politischen Ebene gefährlich werden konnten“.
Zuhören und verdichten
Körner nimmt diese Biografien unverstellt und offen in den Blick, ohne eine vorgefertigte These über „die Ostdeutsche“ bebildern zu wollen. Die Montage von Sandra Brandl arbeitet geschickt mit Widersprüchen und Analogien, die respektvolle, leicht aufblickende Kameraperspektive von Anne Misselwitz auf die Porträtierten korrespondiert oder kollidiert mit dem nie diffamierenden Interesse an sozialistischen Wand-Mosaiken mit ihren utopistischen Buntheiten bei gleichzeitig tradierten Geschlechterbildern.
Noch im Titel versteckt sich eine Verbeugung vor einer großen Frau. Körner zitiert darin Maxie Wanders im Osten wie im Westen zum Kultbuch avancierten Porträtband „Guten Morgen, du Schöne“ von 1977. Maxie Wander starb kurz nach dem Erscheinen ihres ersten Buches; deshalb gibt es kaum Archivmaterial von ihr. Körner geht auch mit dieser Leerstelle um, indem er Wander „mit ihrer Methode, ihrem Ohr ganz gegenwärtig“ sein lässt: ihrer Fähigkeit, ihren Gesprächspartnerinnen sehr genau zuzuhören und die Aussagen zu einer eigenständigen Dramaturgie zu verdichten. Ja, westdeutsche Männer (mit Ost-Verwandtschaft) können das auch.
Ein Bonmot der Prenzlauer Berger Künstlerin Annemirl Bauer, das bereits im ersten „Unbeugsamen“-Film zitiert wurde, erhebt Körner nun zum Motto: „Frauen, wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern“. Diesen Staffelstab reicht der neue Film charmant und energisch ans heutige Publikum weiter. Denn ohne die Spezifität weiblicher ostdeutscher Lebensläufe abzuflachen, schafft er Andockmöglichkeiten für alle, die einmal zuhause waren und es nicht mehr sind; die etwas erhofften, das verschwunden ist, noch bevor es sich hätte realisieren lassen. Und die weitermachen, mit einem traurig-amüsierten, skeptischen oder verknallten Blick auf all die Widersprüche.