Ich sterbe. Kommst du?
D 25, R: Benjamin Kramme, FSK: 12, 98 min
Max Ophüls Preis 2025 – Publikumspreis & Preis für den gesellschaftlich relevantesten Film
Deutscher Schauspielpreis 2025 – Jenni Sabel: Bestes Dramatische Schauspiel
Die 38-jährigen Nadine (Jennifer Sabel) hat noch zwei Wochen zum Leben, mit einer Krebsdiagnose im Endstadium zieht sie in ein Hospiz ein. Dort beginnt für sie ein schmerzhafter, aber auch berührender Prozess des Loslassens: Sie muss lernen, ihre Wut auf das Leben hinter sich zu lassen, sich von ihrem kleinen Sohn zu verabschieden und inneren Frieden mit ihrer Vergangenheit und der Kürze ihres Daseins zu finden.
Ich sterbe. Kommst Du? sucht einen sensiblen und kraftvollen Weg, um mit dem Thema Tod und Sterben umzugehen. Hospize sind lebendige Ort. Es geht in ihnen um das Leben, das möglichst schmerzfrei und würdevoll seine letzte Phase finden kann. Tod und Sterben sind hier kein Sakrileg, über das nicht gesprochen wird, sondern es wird gemeinsam versucht einen unverkrampften und möglichst sicheren Umgang mit dem Thema „Tod“ zu finden.
Der Film läuft auch am Mi 26.11. | 19:30 Uhr im Kronenkino in Zittau.
Pressestimmen zum Film
Ich sterbe. Kommst du?
In seinem hautnahen Porträt einer 38-jährigen Krebspatientin im Hospiz zeigt Regisseur Benjamin Kramme, dass es keine richtige Zeit zum Sterben gibt und man immer versuchen muss, mit dem Leben selbstbewusst abzuschließen
Von Ulrich Sonnenschein/ epd film
Normalerweise sind Filme nicht zartbesaitet, wenn es ums Sterben geht. Kugeln fliegen so zahlreich wie Regentropfen durch die Kinogeschichte. Unzählige Leichen liegen in den Kellern der Kinosäle, von den Fernsehzimmern mal ganz zu schweigen. Und doch entsteht ein Schaudern, wenn der Tod uns zu nahekommt, wenn man zuschauen muss, wie er seine Arbeit macht und die Unausweichlichkeit vor dem endgültigen Aus die Szene bestimmt. Dabei muss gar kein Blut fließen, es geht nicht um kinematographische Details. Der Tod ist das große Unbekannte, dem wir alle irgendwann gegenübertreten müssen.
Die alleinerziehende Mutter Nadine (Jennifer Sabel) hat Krebs im Endstadium. Austherapiert heißt der euphemistische Ausdruck, den die Ärzte verwenden, und so packt sie ihre Sachen und zieht widerwillig ins Hospiz. »Wellnessurlaub«, sagt sie zynisch, als sie dort ankommt, und fragt eine Mitpatientin, wie man beim Sterben noch so fett sein kann. Ihren kleinen Sohn Dexter bringt sie vorher noch bei ihrer Mutter unter, auch das eher halbherzig, denn das Verhältnis ist nicht das beste. Aber Dexters Vater, einem volltätowierten Motorradfahrer, traut sie die Übernahme der Erziehung erst recht nicht zu. Und doch sehnt sie sich nach ihrem Sohn, der in der Frau mit den raspelkurzen Haaren seine Mutter nicht mehr erkennt und hofft, auch bald tot zu sein, um sie endlich wieder bei sich zu haben. Er versteht den Tod nicht, weigert sich fortan, zu kommen, und ignoriert den Hilferuf der Mutter, der den Titel ausmacht. Sie hingegen, obwohl ihr nur wenig Zeit bleibt, findet sich langsam in die knorzige Zwangsgemeinschaft des Hospizes ein und nimmt dem Tod dadurch tatsächlich etwas von seiner schwarzen Ausstrahlung.
Benjamin Kramme hat mit »Ruf der Mutter« einen Film über das Loslassen gedreht, darüber, zu akzeptieren, was man nicht ändern kann, und trotzdem nicht zu resignieren. Sterben kann man nicht üben. Man kann es auch nicht falsch machen, man kann es nur ertragen. Indem er einen ungeschönt ehrlichen Blick auf das Sterben wirft und immer wieder auch humorvoll von den Herausforderungen erzählt, nimmt er seinem Film die Beklemmung, die das gesellschaftliche Tabu Sterben immer noch auslöst. Fast jeder Hospizbewohner hat seine innere Verzweiflung in ein Trugbild der Wirklichkeit umgemünzt und geht entweder mit übermäßiger Sanftheit oder aggressiv und ablehnend damit um.
Und dann gibt es die, die jede Wirklichkeit bereits verloren haben und unter dem Lachen der anderen nicht mehr leiden. Wenn der Tod zuschlägt, gibt es auch im Hospiz, wo eigentlich alle auf ihn warten, schreckliche Überraschungen. Beim diesjährigen Festival Max Ophüls Preis gewann dieses, trotz einiger erzählerischer Klischees doch sehr gelungene Debüt den Preis für den gesellschaftlich relevanten Film. In der Jurybegründung wurden das »Feingefühl und die Klarheit« hervorgehoben und die Aussage, »dass wir auch am Ende Bedeutung in das Leben anderer tragen können. Denn wer diesen Film sieht, braucht vor nichts Angst zu haben.«
rbbKultur – Das Magazin/ Vera Drude
Ein berührender Film, der anders vom Tod erzählt. Die junge Mutter Nadine hat Krebs im Endstadium und wird ihre letzten Wochen in einem Hospiz verbringen. Obwohl nicht mehr viel Zeit bleibt, meidet ihr fünfjähriger Sohn ihre Nähe. Es ist das Regiedebüt von Benjamin Kramme, der selbst in dem Hospiz gearbeitet hat, in dem die Dreharbeiten stattfanden.
Nadine wird sterben. Die 39-Jährige hat Krebs im Endstadium. Ihre Mutter fährt sie ins Hospiz.
„Guck mal, wie schön das ist.“
– „Wellnessurlaub.“
Gedreht hat der Schauspieler und Regisseur Benjamin Kramme seinen Film in einem echten Hospiz. Dort war er Sozialarbeiter. Mutig ist er an einen Ort gegangen, den die meisten meiden.
Benjamin Kramme, Regisseur
„Ich vermute im Nachhinein, dass das auch etwas mit meinem eigenen Umgang mit Sterben, vielleicht meinen eigenen Ängsten und Unsicherheiten zu tun hatte, dass ich gesagt habe: ich möchte mir das gerne mal aus der Nähe anschauen. Ich habe so viele bewundernswerte, tolle Menschen kennengelernt, die mit wirklich schwierigen Situationen so bewundernswert stark umgegangen sind.“
Alle Figuren und Ereignisse sind inspiriert von wahren Geschichten aus dem Hospiz. Auch die Hauptfigur Nadine. Ihre Mutter kümmert sich nun um ihren Sohn Dexter. Der hat Angst vor ihr, weil sie sich so sehr verändert hat:
„Meine Mama hat Krebs und der Krebs frisst die Haare weg. Und deshalb ist sie bald tot.“
Benjamin Kramme
„Das ist etwas, was man im Hospiz häufiger erlebt, also dass Kinder, die nicht gut genug mitgenommen werden und denen man es nicht gut genug erklärt, dass die dann in eine Abwehrhaltung gehen. Dann anfangen, nicht mehr gut zu sein in der Schule, auf nichts mehr Lust zu haben, sich zurückzuziehen. Und das hat uns total interessiert an dem Jungen. Uns hat aber auch interessiert zu erzählen, dass das alles nichts damit zu tun hat, dass er seine Mutter nicht liebt, oder dass es keine Verbindung gibt.“
Das Ankommen fällt Nadine schwer. In der ersten Nacht will sie direkt zurück nach Hause. Intim, direkt und fast dokumentarisch erzählt der Film von ihrer Wut.
„Hey, was?“
– „Nachts ist die Tür abgeschlossen. Ich bin Marion.“
„Wusste gar nicht, dass man so fett sein kann beim Sterben.“
– „Ich sterb‘ ja auch gar nicht.“
Gespielt wird Nadine von Jennifer Sabel, dafür hat sie den Deutschen Schauspielpreis bekommen. Für die Dreharbeiten hat sie zehn Kilo abgenommen. Regisseur Benjamin Kramme ist ihr Ehemann, das Drehbuch haben sie gemeinsam geschrieben.
Jennifer Sabel, Schauspielerin
„Ich finde es so nachvollziehbar, nicht sterben zu wollen, und dass man mit Wut reagiert. Und hadert und kämpft und das nicht will und nicht akzeptieren kann. Und auch dieses Anecken, dieses unfreundlich werden. Und es hat natürlich eine Entwicklung ermöglicht. Also unsere Nadine, kann zu Beginn wütend sein und dann immer milder werden.“
So freundet sich Nadine schließlich mit Marion an, gespielt von Hildegard Schroedter.
„Mein Mann dachte, ich sterbe schneller, hat sich schonmal ’ne Neue gesucht. Kann nicht alleine sein.“
Auch wenn ihre Familien sich von ihnen entfremden, feiern die beiden das Leben.
„Hohoho, da staunste, was?“
Benjamin Kramme
„Ich glaube, dass der Sterbeprozess auch etwas ist, was sehr positive Dinge hervorbringt, dass sich Familien noch mal sehr nahe kommen können in solchen Phasen, dass man vielleicht auch noch mal bewusster das Leben genießt. Für eine kurze Zeit. Manchmal dass Leute, die ihr ganzes Leben irgendwie in Neubaublocks verbracht haben, plötzlich in diesem Schloss sind und es gar nicht fassen können.“
Trocken erzählt der Film immer wieder komische Momente.
„Oh, Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter.“
Das Hospiz verändert soziale Regeln: Mitgefühl, Ehrlichkeit, das Leben im Moment. Bei den Dreharbeiten haben Hospiz-Gäste sogar als Statisten mitgemacht. Sie haben das Team sehr offen empfangen und bleibenden Eindruck hinterlassen.
Jennifer Sabel
„Ich versuche im Alltag mehr daran zu denken, wie kurz unser Leben ist und wie man jeden Tag so gestalten muss, wie man es will. Weniger Dinge zu tun, die man nicht tun will und weniger aufzuschieben, weniger oft zu denken: ‚Das mache ich dann nächste Woche oder vielleicht übernächste. Oder meine Mutter besuche ich in drei Monaten das nächste Mal.‘ Und den Menschen, die ich liebe, es immer wieder zu sagen, um das nicht zu verpassen.“
„Vielleicht hol‘ ich mir doch eine Perücke hab‘ ich so gedacht.“
– „Jetzt doch?“
„Sieht doch schon wieder ganz gut aus.“
Mutter und Tochter im Film verpassen es. Sie schaffen es nicht mehr auszusprechen, was sie empfinden. Nur ihre Gesten zeigen, wie sehr sie sich vermissen werden.