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King’s Land

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DK/D/S/NOR 23, R: Nikolaj Arcel, FSK: 16, 128 min

Im Dänemark des 18. Jahrhunderts erklärt König Frederik V., dass die wilde Heide Jütlands gezähmt, kultiviert und kolonisiert werden muss, damit sich die Zivilisation ausbreiten kann und neue Steuern für die königliche Familie eingetrieben werden können. Doch niemand wagt es, dem Erlass des Königs Folge zu leisten. Erst im Spätsommer 1755 beschließt der ehemalige Hauptmann Ludvig von Kahlen (Mads Mikkelsen), seinem Traum zu folgen und in die unwirtliche, von Verbrechern und Wölfen eingenommene Heide zu ziehen, in der Hoffnung, dass sie ihm Reichtum und Ehre bringen würde. Doch mit seinem Vorhaben macht der ambitionierte Mann sich zugleich Feinde und hat gegen viele Widerstände zu kämpfen.

Vor Ort wird er nicht nur mit den harschen Lebensbedingungen konfrontiert, sondern gerät auch mit einem adligen Gutsherrn Frederik De Schinkel aneinander, der glaubt, dass die Region ihm und nicht dem König gehört. Zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern entbricht ein erbitterter Zweikampf, bei der auch De Schinkels Ehefrau Ann Barbara (Amanda Collin) eine entscheidende Rolle einnimmt. Der ungleiche Kampf auf kahler Landschaft wird mit Träumen wie Opfern, Liebe und Verlust sowie Rachegelüsten und militärischer Disziplin einhergehen.

Der Historienfilm ist ähnlich wie ein klassischer Western aufgebaut und verbindet dies mit der Geschichte eines wortkargen Helden, der auch weichere Seiten an sich entdeckt. Dank des charismatischen Hauptdarstellers, suggestiver Landschaftsbilder und spannungsvoller Zuspitzungen eine packende nordische Western-Variation, basierend auf dem dänischen Bestseller “The Captain and Ann Barbara” von Ida Jessen.

Der Film läuft auch am Mi 30.10. | 19:30 Uhr im Kronenkino Zittau.

Stimmen zum Film:

Karsten Munt, Filmdienst

Nordische Western-Variation um einen ehemaligen Offizier, der Mitte des 18. Jahrhunderts in Jütland die Heide fruchtbar machen und eine Kolonie gründen will.
Die Heide wächst dort, wo die Erde verarmt, der Wald gerodet und der Boden durch andauerndes Abtragen zerstört wurde. Ihr Grund ist sandig, arm und sauer. Er bietet dem Menschen, der ihn durch die Vernichtung erst geschaffen hat, keinen Lebensraum mehr. Und doch blüht die Heide prächtiger als jede Kulturlandschaft. Ludvig von Kahlen (Mads Mikkelsen) will die karge Schönheit bezwingen, die Natur zähmen und das Land urbar machen. Dem Erlass des dänischen Königs folgend, zieht der Offizier 1755 nach Jütland, um als erster die Heide, die synonym ist mit Unfruchtbarkeit, zu bewirtschaften.

Kahlen ist ein ernster Mann, hart und zäh, getrieben von einer nicht standesgemäßen Ambition und einem unbändigen Sinn für Pflicht und Gerechtigkeit. Am Hof und auf den Landsitzen wird die Entschlossenheit des Offiziers nicht ernst genommen. Der Hochadel sieht allein Kahlens alte Perücke und seine löchrige, nur notdürftig geflickte Parade-Uniform. Für seine Mission spielt das aber kaum eine Rolle. Er braucht nur das Siegel des Königs, um die Heide zu bezwingen. Die dazu nötigen Ressourcen, seinen Sold und die Kartoffeln, die er hier pflanzen will, hat Kahlen in den Kriegsjahren in Deutschland erworben.

Chiaroscuro im Kerzenschein
Kahlen bekommt, was er will. Bald treibt er seine Hacke in die taubedeckten Zwergsträucher des Frühlings und den hart gebackenen Staub des Sommers. In Nebel, Sonnenstrahlen, Wetterleuchten und schließlich ins Feuer gehüllt, mit dem die Heide zurückgetrieben wird, breiten die Bilder des Films ihre erhabene Schönheit aus. Mit Chiaroscuro im Kerzenschein und flämisch geprägten Landschaftspanoramen hält der Kameramann Rasmus Videbæk Geschichte und Natur fest. Die Heide Jütlands fügt sich als malerisches wie desolates Setting nahtlos in die lange Reihe der kargen Landschaften ein, die der Western seit seiner Geburtsstunde gesehen hat. Die Geschichte ihrer Kolonisierung ist eine Pioniergeschichte, „King’s Land“ ein Western im Norden.

Die schönsten Szenen gehören der Landschaft. Etwa wenn Kahlen, vom plötzlichen Frosteinbruch im Frühjahr überrascht, auf seinen Kartoffelacker hinauseilt, panisch eine Mulchschicht auszulegen versucht, Decken über die Erde legt und in letzter Verzweiflung schließlich mit der Wärme seines Körpers die Pflanzen zu wärmen versucht. Mads Mikkelsen leiht Kahlen einen spröden Gerechtigkeitssinn, eine widerborstige Erhabenheit, die immer auch eine Pose der Erhabenheit ist, aber nie zu rigoros, um dem dänischen Offizier den Weg fern seiner Ambition zu verbauen.

Denn seinen eigentlichen Kampf führt der Offizier nicht mit der Heide, sondern mit der Nobilität Dänemarks. Er kämpft um ihre Anerkennung und zugleich gegen die grausame Willkür ihrer Herrschaft. Der Gutsherr Frederik De Schinkel (Simon Bennebjerg) ist der Mann, der sie verkörpert. Zwischen Schinkel und Kahlen verläuft die eigentliche Konfliktlinie von „King’s Land“. Der junge, sich in Exzess und Dekadenz suhlende Gutsherr verspottet den als Bastard eines Nobelmanns geborenen Kahlen. Er zollt auch keine Anerkennung für den Titel des Hauptmanns, den sich Kahlen in 25 Jahren Militärdienst erkämpfen musste; ein adlig geborener Mann bekommt den gleichen Rang in nur sechs Monaten Dienst verliehen. Zugleich aber versucht er sich seinen eigenen Anteil am potenziellen Erfolg Kahlens zu sichern.

Die Geschichte einer modernen Familie
Entlang des Kampfes zwischen dem nahezu mittellosen Vertreter der Gerechtigkeit und dem sadistischen Adel entfaltet sich ein Western, aber auch die mit ihm konkurrierende Geschichte einer modernen Familie. Als Romanadaption, die sich stärker in Richtung des Genres lehnt, gewinnt „King’s Land“ genug Freiheit, um dem anachronistischen Familienentwurf auch dort Raum zu geben, wo keine Gerechtigkeit mehr zu erwarten ist. Die von Kahlen als Haushaltshilfe angeheuerte Ann Barbara (Amanda Collin) nimmt zusehend die Rolle der selbstbestimmten Ehefrau ein, das Sinti-Mädchen Anmai Mus (Melina Hagberg) wird zu einer Art Adoptivtochter.

Regisseur Nikolaj Arcel gelingt es, die Patchwork-Familie, aber auch die allzu modern wirkenden Momente von Toleranz und Solidarität mit archaischer Gewalt und historischer Ungerechtigkeit auszubalancieren und Schönheit auch dort gedeihen zu lassen, wo das Land zerstört wurde.


Michael Meyns, Programmkino.de

Die Kolonialisierung der jütländischen Heide. Auf den ersten Blick nicht unbedingt ein aufregendes Sujet, aus dem der dänische Regisseur Nikolaj Arcel jedoch einen eindringlichen und auch berührenden Film gemacht hat. „King’s Land“, im Original deutlich prägnanter „Bastarden“, lebt dabei zum einen von seinen kargen, abweisenden Bildern und dem scharfen, undurchdringlichen Gesicht Mads Mikkelsen.

25 Jahre hat Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen), der uneheliche Sohn einer Magd, gebraucht, um zum Hauptmann der dänischen Armee aufzusteigen, während Vertreter des Adels, sogenannte „Perückenträger“, dies in kaum sechs Monaten schaffen. Wenn dieser stoische, auch sture Mann im Jahre 1755 also den König um Erlaubnis bittet, die Heide zu kolonisieren, ahnt man, dass er viel Gepäck mit sich rumträgt.

Nichts als Heidekraut wächst in der stürmischen Landschaft im Westen Dänemarks, Wölfe hausen hier, Räuber treiben ihr Unwesen – und ein finsterer Adeliger namens Frederik de Schinkel (Simon Bennebjerg), ein Bösewicht wie man ihn sich böser nicht vorstellen kann. Unweit von dessen Anwesen beginnt Kahlen mit der Urbarmachung der Heide, auf der er bald eine besondere Pflanze zur Saat bringen will, die als unverwüstlich gilt: Die Kartoffel.

Während Schinkel das zu verhindern sucht, denn er fürchtet um seinen Einfluss, hat Kahlen nur wenige Unterstützer: Der Priester Anton Eklund (Gustav Lindh) hofft auf neue Bewohner, um die Herden des Herrn zu bestellen, die Magd Ann Barbara (Amanda Collin) ist zusammen mit ihrem Mann Johannes (Morten Hee Andersen) vor Schinkel geflohen und schließlich nimmt Kahlen auch noch das Sintomädchen Anmai Mus (Melina Hagberg) auf, die auf Grund ihrer dunklen Hautfarbe von den meisten Landbewohnern als Verkörperung des Teufels betrachtet wird.

Immer brutaler wird der Kampf zwischen Kahlen und Schinkel, in dessen Mitte Helene (Kristine Kujath Thorp) steht, Schinkels Cousine und designierte Ehefrau, die sich vom feschen Kahlen einen Ausweg aus ihrer persönlichen Bredouille erhofft. Doch Kahlen verliert sich zunehmend in seinem großen Ziel, an dessen Ende ein Adelstitel stehen soll.

Archaisch mutet die Welt an, in der Nikolaj Arcel seine Geschichte erzählt, geprägt vom nackten Kampf ums Überleben, getrieben vom Klassenkampf und dem Wunsch, aufzusteigen, voll von Vorurteilen und Rassismus und schließlich dem Wunsch nach blutiger Rache. Eine ganze Weile läuft die Geschichte dennoch vorhersehbar ab, werden die Figuren und ihre Verbindungen etabliert, wirkt es so, als würde sich „King’s Land“ in sehr bekannten Bahnen bewegen.

Erst nach gut der Hälfte wird jedoch spürbar, dass auch der dänische Autor und Regisseur Anders Thomas Jensen am Drehbuch mitgeschrieben hat, der mit Filmen wie „Adam’s Äpfel“ oder „Helden der Wahrscheinlichkeit“ immer wieder ein Faible für Geschichten angedeutet hat, die sich um das Schicksal, um Fatalismus und Zufälle drehen. Wirkte Ludvig Kahlen anfangs noch wie ein grundsympathischer Mann mit ehrenwerten Zielen, deutet sich zunehmend an, von welcher Obsession er getrieben ist. Dem Verlangen, durch die Urbarmachung der Heide einen Adelstitel verliehen zu bekommen, unterwirft Kahlen alles, auch das Wohl seiner wenigen Unterstützer. Was anfangs noch als fast bewundernswerter Stoizismus verstanden werden konnte, wird bald zur fragwürdigen Sturheit, die Kahlen immer mehr zu dem werden lässt, was er eigentlich verachtet. Was als etwas schlichtes Drama begann, in dem die Rollen allzu schematisch verteilt waren, entwickelt sich in der zweiten Hälfte doch noch zu einem berührenden Film, der von blindem Fanatismus, Rassismus und dem Streben nach Freiheit in einer autokratischen Welt erzählt, Aspekte die „King’s Land“ zu einem unterschwellig hochaktuellen Film machen.