Kino / Nachlese

One Life

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USA 23, R: James Hawes, FSK: 12, 113 min

„Wenn etwas nicht unmöglich ist, dann muss es einen Weg geben!“ Mit dieser Lebenseinstellung schrieb Sir Nicholas ‚Nicky‘ Winton (Anthony Hopkins) Geschichte, als er in einem Wettlauf gegen die Zeit kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 669 Kinder vor den Nazis rettete: Dezember 1938.

Über einen Freund erfährt der junge Londoner Börsenmakler von den entsetzlichen Zuständen in den tschechischen Flüchtlingslagern. Als der Krieg immer näher rückt, besucht Winton das kurz zuvor annektierte Prag und erlebt aus erster Hand, wie jüdische Flüchtlingsfamilien ohne Obdach und Essen ihrem Schicksal entgegen sehen müssen. Bestürzt entwickelt er einen waghalsigen Plan und es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um so viele Kinder wie möglich zu retten.

Mit Unterstützung seiner tatkräftigen Mutter (Helena Bonham Carter) in London und einer Hilfsorganisation vor Ort beginnt eine beispiellose Rettungsaktion – immer bedroht von der nahenden Invasion der Faschisten. Wie viele Kinder können sie retten, bevor die Grenzen geschlossen werden?

50 Jahre später, in London 1988. Noch Jahrzehnte später wird Winton vom Schicksal der Kinder verfolgt, die er nicht retten konnte. Erst als die BBC-Fernsehshow „That‘s Life“ die überlebenden „Winton-Kinder“ ausfindig macht und diese unglaubliche Geschichte ans Licht bringt, vermag er sich seinem Kummer und den Schuldgefühlen zu stellen, die er so lange mit sich herumgetragen hat.

„Es ist kein Kriegsfilm, sondern eine Geschichte, die von realen Menschen handelt. Es geht nicht um Soldaten, sondern um Menschen, die von Konflikten betroffen sind und wie sie damit umgehen. Es geht um kleine und große Taten von Heldentum und Aufopferung. Es geht darum, wie Menschen einander zwischen diesen Konflikten helfen. Es ist die Geschichte einer Gruppe von Menschen, die vielen Kindern bei der Evakuierung halfen, eine Geschichte darüber, was Menschen tun, wenn sie unter großem Stress und Druck stehen.“
(Johnny Flynn, Darsteller des Nicholas Winton als junger Mann)

Der Film läuft auch am Mi 13.11. | 19:30 Uhr im Kronenkino Zittau.

Pressestimmen zum Film:

One Life (Arabella Wintermayr, taz)

Die Filmbiografie „One Life“ erzählt von Nicholas Winton, der kurz vor dem Zweiten Weltkrieg Kinder aus der Tschechoslowakei retten ließ.

Immer wieder macht er seine Runde in den sozialen Medien: Ein kleiner Ausschnitt aus einer britischen Talkshow, aufgezeichnet in den späten Achtzigern. Ein alter Herr mit großer Brille sitzt in der ersten Reihe des Publikums. Es scheint, als wüsste er nicht genau, was ihn in den nächsten Augenblicken erwartet, als die Moderatorin ihn direkt adressiert. Sie bittet schließlich all jene Zuschauer, die ihr Leben diesem Mann, Nicholas Winton, zu verdanken haben, aufzustehen. Es erhebt sich der gesamte Saal.

Als sich Nicholas Winton umdreht, den Menschen um ihn herum sichtbar bewegt zunickt und sich unter die Brille fasst, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen, fühlt man sich auch jetzt noch, als Zuschauer, dem der kurze Clip gerade auf Twitter, Facebook oder Tiktok begegnet ist, ergriffen. Wenngleich sich in diese Ergriffenheit unweigerlich das flaue Gefühl mischt, dass die Geschichte hinter dem, was Nicholas Winton vollbrachte, eine zu bedeutsame ist, als dass sie weder damals für einen aufmerksamkeitsheischenden Medienstunt noch heute für das schnelle Generieren von Klicks, „Likes“ und Kommentaren herhalten sollte.

Mit etwas Glück erfährt man aus der Beschreibung eines der viralen Videos gerade noch, dass Nicholas Winton zwischen 1938 und 1939 mehrere Transporte organisierte, die 669 Kinder, meist aus jüdischen Familien, mit dem Zug aus Prag nach Großbritannien brachten, ehe Hitlers Truppen in Polen einmarschierten und der Zweite Weltkrieg begann. Wie ihm das gelang, wer er überhaupt war und wer außer ihm an den Rettungsaktionen beteiligt gewesen ist, hat sich zumindest außerhalb des Vereinigten Königreichs noch nicht recht in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben.

Dass „One Life“ an diesem Umstand ganz entschieden etwas ändern möchte, darauf deutet bereits der Titel dieser Filmbiografie hin. Der Spruch aus dem Talmud, „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“, auf den hier angespielt wird, wurde bereits durch „Schindlers Liste“ über den religiösen Kontext hinaus bekannt. Regisseur James ­Hawes will mit seinem Kinodebüt nun Nicholas Winton, der in seiner Heimat bereits den Beinamen „Der britische Schindler“ besitzt, so scheint es, ein ähnliches Andenken bereiten, wie es Oskar Schindler seinerzeit durch das Kino zuteilwurde. Dazu wählt der britische Filmemacher mitunter sogar ähnliche Motive wie einst Steven Spielberg.

Das ikonische Mädchen
So etwa im Erzählen von Nicholas Wintons (Johnny Flynn) Reisen ins noch unbesetzte Prag, wohin Zehntausende nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Tschechoslowakei geflohen sind, an die er sich als beinahe 80-Jähriger erinnert (dann gespielt von Anthony Hopkins), kurz bevor seine Taten der Öffentlichkeit bekannt werden. Wenn sich der junge Brite seinen Weg durch die behelfsmäßigen Flüchtlingsunterkünfte, ihren Schmutz und das Leid bahnt, folgt die Kamera immer wieder einem kleinen Mädchen, das mit einem Baby auf dem Arm durch das Lager irrt.

Ähnlich wie das ikonische Mädchen im roten Mantel in „Schindlers Liste“, suggeriert auch „One Life“, dass es ihr Anblick ist, der den Protagonisten letztlich zum Entschluss bewegt, helfen zu wollen, helfen zu müssen.

Berichtet „One Life“ von den Hürden, denen sich Nicholas Winton nach diesem Entschluss ausgesetzt sieht, vertraut der Film auf altbekannte Formeln vergleichbarer Historiendramen, die sich den heroischen Taten von Einzelnen widmen. Da die britische Regierung zwar durchaus staatliche Kindertransporte aus Deutschland und Österreich organisiert, nicht aber aus der Tschechoslowakei, möchte Winton zusammen mit den Freiwilligen vor Ort selbst eine Rettungsaktion auf die Beine stellen.

In schnell geschnittenen Montagen ist er mal beim eifrigen Pläneschmieden mit Vertretern eines britischen Hilfskomitees vor Ort (Alex Sharp und Romola Garai) zu sehen, mal in gehetzten Telefonaten mit seiner couragierten Mutter Babette (Helena Bonham Carter), die die Behörden in London von der Notwendigkeit überzeugen soll, den Kindern ein britisches Visum auszustellen.

Die tödliche Ignoranz bürokratischer Strukturen
James Hawes gelingt es so zwar durchaus, sowohl das enorme Engagement der Menschen um Nicholas Winton als auch die bisweilen tödliche Ignoranz bürokratischer Strukturen eindrücklich darzustellen. Eine Einreiseerlaubnis erhielten die Kinder schließlich nur dann, wenn sich zuvor britische Paten fanden, die für alle entstehenden Kosten während des Asyls aufkommen und darüber hinaus im Vorfeld eine Gebühr von 50 Pfund (was heute fast 10.000 Euro entspricht) entrichten würden.

Und auch die TV-Sequenz, durch die die Taten Nicholas Wintons eine späte Anerkennung fanden, ist selbst in der nachgespielten Fassung überaus berührend. Nicht zuletzt wegen der Würde, die Anthony Hopkins’ bedächtiges Spiel einem Mann verleiht, der sich bis ins hohe Alter mit dem Gedanken quälte, nicht noch mehr Kindern das Leben gerettet zu haben.

Indem Nicholas Wintons Geschichte in altbekannte Erzählmuster gepresst wird, entlässt „One Life“ einen allerdings mit einem ähnlichen Gefühl des „Nicht-gerecht-Werdens“, wie es besagte virale Videos tun. Durch den konventionellen Ansatz, den James Hawes wählt, geht es auch hier zuerst um das mediale Moment. Erst dann um die individuelle Person, um Nicholas Winton selbst.


One Life (Cinema)

Ein englischer Gentleman blickt auf sein Lebenswerk zurück: Er hat 669 Kinder vor den Nazis gerettet und trauert um jene, denen er nicht mehr helfen konnte

Als 1938 ein Teil der Tschechoslowakei an die Nazis fällt, um den drohenden Krieg zu vermeiden, hält es den jungen Aktienhändler Nicholas Winton (Johnny Flynn) nicht mehr in London. Er reist nach Prag, um nach Möglichkeiten zu suchen, den vielen Tausend Flüchtlingen aus den besetzten Gebieten zu helfen.

Besonders die Kinder haben es dem jüdisch-deutschstämmigen Winton angetan. Auch als sein Arbeitgeber ihn zurückbeordert, hört Winton nicht auf, sich zu engagieren, und organisiert ganze Züge, die Kinder von Prag nach London bringen, wo sie an Pflegefamilien vermittelt werden.

Fünfzig Jahre später denkt Winton (nun gespielt von Anthony Hopkins) immer noch oft an die Kinder zurück, vor allem an jene, die er nicht retten konnte. Er beschließt, seine alten Aufzeichnungen weiterzugeben. Das hat unerwartete Folgen. Regisseur James Hawes verzichtete in dieser wahren Geschichte auf allzu drastische Bilder von toten Kindern, zeigt aber genug Not und Elend, um Wintons moralisches Dilemma verständlich zu machen.

Fast dokumentarisch beginnt er seinen Film mit einem äußerlich ruhigen, aber innerlich noch immer aufgewühlten Anthony Hopkins („The Father“), bevor der in seinen Erinnerungen ins Prag des Jahres 1938 zurückkehrt – und das Pub­likum mitnimmt. Wintons junges Alter Ego Johnny Flynn („The Outfit“) agiert viel emotionaler, denn er wird direkt mit dem Leid der Menschen konfrontiert. Es ist auch dieser Gegensatz in der von zwei Schauspielern verkörperten Figur, der „One Life“ so interessant macht. Wenn man Hawes’ Regiedebüt etwas vorwerfen kann, dann dass er sich etwas zu viel Zeit lässt, bis er sein atemberaubendes Finale erreicht. Der Rest der Story um einen beeindruckenden Mann ist absolut überzeugend.