Kino / Nachlese

Was uns verbindet

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F/B 24, R: Carine Tardieu, FSK: 6, 106 min

Kneipe mit kleinem Speisenangebot ab 18 Uhr

Sandra (Valeria Bruni Tedeschi) ist Anfang 50, selbstbestimmt, kinderlos – und sehr zufrieden damit. Als das junge Paar von nebenan überraschend früh zur Entbindung ins Krankenhaus muss, springt sie widerwillig als Babysitterin für den kleinen Elliott ein. Was als kurzfristige Nachbarschaftshilfe beginnt, entwickelt sich zu einer unerwartet tiefgreifenden, emotionalen Verbindung – zu dem Jungen und zur gesamten Familie…

Regisseurin Carine Tardieu erzählt von der Schönheit des Unplanbaren und der Kraft unerwarteter Beziehungen. Valeria Bruni Tedeschi verleiht ihrer Figur dabei eine fast schmerzhaft glaubwürdige Tiefe, nie pathetisch, immer verletzlich, aber stark, eine Frau, die sich selbst treu bleibt, auch wenn das Leben plötzlich andere Pläne hat.

Der Film läuft auch am Mi 22.10. | 19:30 Uhr im Kronenkino Zittau.

Pressestimmen zum Film

Was uns verbindet (Cinema)

Eine alleinstehende Buchhändlerin und überzeugte Feministin (Valeria Bruni Tedesci) gerät in eine Situation, die sie sich nie hätte vorstellen können: Ein benachbarter Junge sucht ihre Nähe und Zuneigung.

Sandra (Valeria Bruni Tedesci) legt Wert auf Unabhängigkeit. Die Inhaberin einer feministischen Buchhandlung ist Kettenraucherin, war nie verheiratet und versteht nichts von Kindern. Und ausgerechnet bei ihr klingeln die Nachbarn, die überstürzt zur Entbindung ins Krankenhaus müssen. Ob sie für einen Moment auf den kleinen Elliott (César Botti) aufpassen könne? Es würde nicht lange dauern. Sandra fühlt sich überrumpelt, kann aber nicht Nein sagen. Und bereut ihre Entscheidung sofort: Der Junge löchert sie mit Fragen („Warum lebst du allein?“) – und sie muss dringend zur Arbeit. Erst spät in der Nacht klingelt es erneut an ihrer Wohnungstür. Die Nachricht, die Sandra in diesem Augenblick erreicht, wird ihr Leben für immer verändern.

Über zwei Jahre hinweg verfolgt die Französin Carine Tardieu den Alltag ihrer Protagonisten. In „Im Herzen jung“ (2021) hat die Regisseurin die Liebe eines verheirateten Arztes zu einer dreißig Jahre älteren Frau geschildert. Ebenso außergewöhnlich ist auch ihr neuer Film. Trotz der klaren, in Kapitel unterteilten Erzählstruktur hat man nie das Gefühl, dass der Film ein Drehbuch abarbeitet oder einer gängigen Dramaturgie folgt. Mit beeindruckender Ernsthaftigkeit lotet Carine Tardieu die komplexen Emotionen der Figuren und die zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Der Film fordert seine Zuschauer unentwegt dazu auf, sich immer wieder neu mit den einzelnen Akteuren auseinanderzusetzen. So lebensnah, klug und wahrhaftig kann Kino sein!

Fazit: So vielfältig und gefühlsecht wie das Leben selbst – ein kleines Kinowunder.


Was uns verbindet (Gaby Sikorski, Programmkino.de)

Plötzlich ist alles anders … Sandra hat sich ihr Leben als unabhängige Singlefrau nicht nur selbst ausgesucht, sondern sich darin auch sehr gut eingerichtet. Doch damit ist nun Schluss: Praktisch von einem Moment zum nächsten bekommt sie eine neue Familie inkl. zwei Kindern und ihrem Vater.

Was ein kitschiges Familien-Melodram hätte werden können, wird unter Carine Tardieus Inszenierung ein unpathetischer und vielleicht gerade deswegen sehr realistischer und anrührender Film – mit der grandiosen Valeria Bruni Tedeschi in der Hauptrolle.

Alex, Cécile und Sandra sind Nachbarn, sie wohnen gegenüber auf derselben Etage. Cécile erwartet ihr zweites Kind, die Wehen haben unerwartet früh eingesetzt, und Alex will seine Frau so schnell wie möglich ins Krankenhaus bringen. Die Zeit drängt, aber da ist auch der sechsjährige Elliot, der nicht alleine bleiben kann, und so kommt Alex auf die Idee, die Frau von nebenan zu bitten, auf den kleinen Jungen aufzupassen. Sie willigt ein, natürlich lässt sie ihre Nachbarn nicht im Stich und nimmt Elliot kurzerhand zu sich in die Wohnung. Ziemlich schnell findet die allein lebende Buchhändlerin, eine Frau um die 50, einen Draht zu dem pfiffigen Jungen, obwohl sie eigentlich mit Kindern wenig zu tun hat. Und Elliot fühlt sich offenbar sehr wohl in Gesellschaft der älteren Dame, die so gar nichts Mütterliches an sich hat. Die Zeit vergeht, und als Alex mitten in der Nacht wieder vor der Tür steht, ist er in Tränen aufgelöst, denn Cécile ist bei der Geburt gestorben, und nun ist er allein mit Elliot und dem Baby. Elliot schläft, und Sandra bittet Alex, den Kleinen schlafen zu lassen, dann hätte er seine Mutter noch ein wenig länger.

Dieser gleichzeitig gefühlvolle und pragmatische Anfang ist symptomatisch für eine Geschichte, die sensibel und zärtlich, von leisem Optimismus erfüllt und erfreulich kitschfrei vom Leben und vom Umgang mit Schicksalsschlägen erzählt: Alex ist in Trauer, aber gleichzeitig muss er sich um das Baby kümmern und in seine Rolle als alleinerziehender Vater hineinwachsen. Und dank Elliot, der beschlossen hat, dass Sandra seine beste Freundin ist, hat Sandra nun eine komplette neue Familie bekommen. Dadurch verändert sich ihr ganzes Leben, das sie sich mit ihrem feministischen Buchladen, einem großen Freundeskreis und gelegentlichen Lovern prachtvoll eingerichtet hatte. Ihre eigene Familie hat sie dabei immer auf Distanz gehalten. Aber nun ist alles anders, und über den Kontakt mit Elliot entsteht auch eine neue Beziehung zu Alex, der aus seiner Trauer gar nicht herausfindet und beinahe noch mehr Zuwendung braucht als der Junge. Elliot, so stellt sich heraus, ist gar nicht sein leiblicher Sohn, sondern stammt aus einer früheren Beziehung von Cécile. Dass Cécile überhaupt noch einmal schwanger geworden ist, obwohl sie eigentlich nicht wollte, liegt an Alex, der unbedingt ein eigenes Kind wollte. Und zu seiner Trauer kommen nun auch noch Schuldgefühle, für die er eigentlich gar keine Zeit hat. Denn seine Kinder brauchen ihn, das Baby Lucille noch mehr als Elliot, der die Stimmungen seines Vaters wie ein Seismograph registriert und sich immer mehr an Sandra orientiert.

Die Regisseurin und Autorin Carine Tardieu („Im Herzen jung“) erzählt ihre Geschichte über einen Zeitraum von zwei Jahren, untermalt von wunderschönen, sanft melancholischen Gypsy-Jazz-Klängen und gegliedert durch Inserts, die Lucilles Alter anzeigen – wie ein optimistischer Blick in die Zukunft. Dabei führt Carine Tardieu immer mehr Personen ein, spinnt neue Handlungsfäden und verwebt all das zu einer Patchwork-Familiendecke mit vielen bunten Flicken. Das ist ebenso liebenswürdig wie realistisch … und gut beobachtet. Im Mittelpunkt des Films steht auf diese Weise neben der Herausforderung, mit Schicksalsschlägen umzugehen, auch der Appell, sich auf das Wesentliche zu besinnen und den Moment zu genießen.

Doch das ist schwierig in einer modernen Welt, in der sich praktisch jeder Mensch schon ohne Schicksalsschläge überfordert fühlt. Der kluge Elliot spricht es aus: „Erwachsene haben nie Zeit“, konstatiert er und meint damit auch seine Freundin Sandra. Die wunderbare Valeria Bruni Tedeschi („Der Sommer mit Anaïs“) spielt sie mit herbem Charme als ziemlich unmütterliche und durchaus komplizierte Frau Mitte 50, die zu Beginn sogar leicht zickig wirkt und immer sympathischer wird, wobei sie sich aber dennoch treu bleibt. Mit ihrer Klugheit und ihrem feinen Gespür für Stimmungen wird sie nicht nur für Elliot zur Vertrauten, sondern auch für den emotional stark herausgeforderten Alex, den Pio Marmaï sehr sensibel und mit glaubwürdigen emotionalen Verwerfungen darstellt – ein Mann, der versucht, irgendwie zurechtzukommen und jederzeit zusammenbrechen könnte unter der Last, die er plötzlich tragen muss. Doch dann geht es doch irgendwie. Alles wie im richtigen Leben.