Veranstaltungen

Film & Talk: Filmtagebuch 1989 „Zärtlich kreist die Faust…“

“ZÄRTLICH KREIST DIE FAUST …“ – Filmtagebuch mit LUTZ RATHENOW, Schriftsteller, Ost-Berlin
In den Tagen, nachdem die Mauer fiel.

D 1990, R: Klaus Dexel/ Hilde Bechert, 70 min
Erstsendung 5. Juni 1990 für die Reihe „Kulturwelt“ in der ARD – 70 min.

Im 35. Jahr der Friedlichen Revolution zeigen wir einen der besten und authentischsten Hintergrundfilme zur Lage der DDR 1989 aus Sicht eines ihrer Kronzeugen: Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Autor Lutz Rathenow öffnet sein Tagebuch. Im Anschluss laden wir Sie ein zum Gespräch mit Regisseur Klaus Dexel.


Pressestimmen

„Es ist ja nicht unbedingt so, dass Schriftsteller auch reden können. Der Ost-Berliner Autor Lutz Rathenow verfügt über die Gabe und so war der Film ‚ZÄRTLICH KREIST DIE FAUST’ ebenso attraktiv wie aufschlussreich.“ (Augsburger Allgemeine Zeitung)

„Ein jung gebliebener Enddreißiger nimmt Abschied von seinem Land, das ihn als Staatsbürger malträtiert, ihm als Schriftsteller eine Identität gegeben hat. Hilde Bechert und Klaus Dexel haben den Ost-Berliner Autor Lutz Rathenow plaudern und aus seinen Texten zitieren lassen während seiner Gänge durch den Prenzlauer Berg. Sein „Filmtagebuch“ zeigt die DDR im Umbruch.( … … ) All die Flanierszenen mit aufmüpfigem DDR-Rock nostalgisch zu unterlegen, machte so durchaus Sinn: Das Ende der DDR ist auch das Aus für Rathenows exklusives Außenseiterfeeling. Dies nicht bejammert, sondern nüchtern zu Protokoll gegeben zu haben, das ist die eigentliche Leistung dieses gelungenen Films. (Rheinischer Merkur)

„Heute morgen ( … ) habe ich mir Ihren Film ZÄRTLICH KREIST DIE FAUST’ angesehen: Der Kaffee wurde mir darüber kalt. Ich habe ihn schlicht vergessen. Ihr Film hat mich vom  ersten bis zum letzten Bild gefesselt.“ (Dr. Christof Schmid – SDR – HA-Leiter Kultur)

„Ein höchst spannendes Puzzle aus Lyrik, Aphorismen, Reflexionen. Ein Dokument von innen.“ (WZ – Düsseldorf)

„ZÄRTLICH KREIST DIE FAUST – Das waren gestaltete Emotionen, an einer optischen Wirklichkeit kontrapunktisch überprüfbar.“ (Süddeutsche Zeitung – München)

„Ein Edelstein zu mitternächtlicher Stunde. Der DDR-Poet Lutz Rathenow, einst verfolgt, öffnete sein Tagebuch. Zu erleben war ein ironisch-wehmütiger Film über den in Auflösung begriffenen Staat.“ (Hamburger Abendblatt)

„Einer der besten Hintergrundfilme zur Lage der DDR.“ (Stuttgarter Zeitung)

„Der Held des Films, Schriftsteller Lutz Rathenow, unterwegs durch sein Land, die DDR – die ihm wie ein Niemandsland erscheint. Seine leise, sanfte Ironie modulierende Stimme, sein staunendes Registrieren der Veränderungen ringsum – ihn selbst nicht ausgenommen, seine nachforschenden Wanderungen zu Freunden und Stätten seines Lebens – Bilder  und Texte eines intimen Tagebuchs im Teamwork entstanden mit zwei zurückhaltenden Filmautoren …“ (Rheinische Post)

„Sensible Erkundung der DDR-Realität: Lyriker Lutz Rathenow unterwegs in Ost-Berlin und Jena. Ein beeindruckendes Film-Tagebuch, das Banalität der Gegenwart und Schrecken  der Vergangenheit poetisch aufschlüsselte.“ (HÖRZU)

„Schönes Gruseln“.(FAZ – Frankfurt)


 

Christian Bartels, epd Medien Nr. 1/2 vom 9. Januar 2015

(…) Wer (…) am vergangenen Sonntag eingeschaltet hatte, erlebte einen positiven Kulturschock. Da begleitete eine Kamera Lutz Rathenow, einen bekannten Oppositionellen in der DDR, durch die Straßen Ostberlins, so wie es 1990 aussah. Er geht durch Prenzlauer Berg und über den Alexanderplatz, spricht mit Menschen oder aus dem Off von Beobachtungen zur Stimmung in der kurzen, fast vergessenen Übergangsphase zwischen der erfolgreichen friedlichen Revolution 1989 und dem Beitritt zur BRD.

„Die einzige würdige Art, die DDR zu verlassen, war ohnehin immer die Flucht“, sagt er angesichts der Anfang 1990 nicht mehr bewachten Mauer. Einiges besitzt im besten Sinne allegorische Qualitäten. Manchmal liest eine weibliche Stimme seine Gedichte vor.
Das Sensationellste aber für Fernsehzuschauer von heute: Es ging immer so weiter. Fast 70 Minuten lang unterbrach kein Schnitt in die Gegenwart den ruhigen Rhythmus des kollagierten Videotagebuchs. Keine Experten ordneten die Zeit vor der ersten freien Wahl in der DDR im März 1990 ein, keine klimpernde Untermalungsmusik führte zurück in die von
Historytainment aller Kanäle bekannte Bild- (und Sound-) Sprache.

Anknüpfungspunkte an die Gegenwart gab es einige – zum Beispiel, wennRathenow, der heute sächsischer Landesbeauftragter für die Stasiunterlagen ist, über die Zukunft der DDR-Literatur nachdenkt. Außerdem natürlich so gut wie alles, was zu sehen war: Einmaliges Bildmaterial aus der späten DDR, die städtebaulich fast überall komplett verschwunden ist, aus Berlin und Jena, wo Rathenow die Entschuldigung für seine Exmatrikulation entgegennimmt und zufällig dabei ist, als die Tür zum Sitzungssaal der örtlichen Stasi-Dependance geöffnet wird. Aufschlussreicher hätte eine heutige Kompilation über „Die letzten Tage in der
DDR“ kaum sein können. (…)

Wer (…) rechtzeitig zur Fernbedienung gegriffen oder ein Aufnahmemedium programmiert hat, hat ein eindrucksvoller Plädoyer dafür gesehen, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen unbedingt öfter und tiefer in seine gewaltigen Archive greifen sollte. Wie wäre es, einen der zahlreichen Kanäle solchen ausgewählten Fundstücken zu widmen? (…)